Sagen rund um Trier

Inhaltsverzeichnis

Die Teufelskirche

Die Simonskirche (nicht Domkirche) zu Trier soll ein Werk des Teufels sein. Sie liegt auf einem Hügel, so der einzige in der ganzen Stadt ist und stellt ein längliches Viereck vor, welches von lauter aschefarbigen und so großen Steinen aufgeführt ist, daß man kaum glauben kann, wie Menschenhände vermögend gewesen sind, dieselben dorthin zu wälzen und auf einander zu setzen. Nach der einen Erzählung hätte der einstige Erbauer derselben sich des Satans Hülfe dabei bedient und ihm vorgespiegelt, er wolle allda ein Hurenhaus anlegen und Spieltische darin aufrichten, worunter er die Altäre verstand, wie denn diese Altäre auch in der That nicht ganz gerade, sondern ein wenig abhängig sind. Als aber die Kirche fertig war, habe derselbe gemerkt, daß er betrogen sei und mit der Tatze in die Mauern gegriffen um sie einzureißen, sei aber durch einen frommen Priester daran verhindert worden! Da habe er bei der schnellen Flucht eine Kralle verloren und das sei das Horn, welches zu Ende des 16. Jhdts. in der Kirche noch an der Mauer hing und als Teufelsklaue gezeigt ward.

Nach der zweiten Erzählung hatte sich der Teufel, als gerade der Trierer Stadtrath beisammen gesessen, um sich während des Baues der genannten Kirche über die Ausschmückung derselben zu berathen, demselben mit dem Anerbieten vorgestellt, er wolle sie so hoch und so schön bauen wie keine andere im deutschen Reiche zu finden sei, und damit Schlag Zwölf in der Christnacht fertig sein, auch noch die beiden Pfortenflügel vom Capitol zu Rom holen und hier als Thorpforte einhängen, wenn man ihm die Seele des ersten Beters in der fertig gewordenen Kirche bewillige. Dies hatte der Stadtrath auch bewilligt und dem Teufel verbrieft, derselbe auch sein Wort gelöst, und als die Glocke zur Christmesse ins neue Gotteshaus gerufen,[100] da hatte er blos noch die Capitoltüren zu holen gehabt, er hatte dieselben auch herbeigeschafft, allein unterwegs vor Müdigkeit sich auf der Spitze des Montblanc niedergelassen um kurze Zeit auszuruhen. Da ist ihm dort ein wunderschönes Frauenbild entgegengetreten und hat ihn durch ihre Unterredung so zu fesseln gewußt, daß er die Zeit versäumte und plötzlich der Morgen graute, dann hat sie sich ihm als die Mutter Gottes zu erkennen gegeben und ihm gestanden, daß sie absichtlich ihn getäuscht habe, damit er zu spät kommen möge. Als nun der Teufel nach Trier kam und über der Kirche schwebte, da sprach gerade der Priester darin nach Beendigung der Messe den Segen und der betrogene Teufel warf vor Wuth die schweren Pfortenflügel auf das Dach der Kirche, zwar zerschlugen sie dasselbe und das darunter befindliche Gewölbe, allein verletzt ward keiner der Beter die darin waren, und zum Andenken ließ man seitdem stets eine Oeffnung im Kirchendache klaffen.

 Das alte Trier und seine Wahrzeichen

Trier, die frühere Residenz eines der geistlichen Kurfürst, des sogenannten Erzkanzlers des h. Röm. Reichs durch Gallien, der auch sonst bei der Wahl des deutschen Kaisers die erste Stimme hatte, galt für die älteste Stadt (nächst Solothurn) in Europa nach dem alten Verse: Ante Romam Treviris stetit annis mille trecentis d.i. Tausend und dreihundert Jahr stund Trier eh‘ Rom gebauet war.

Die Gegend freilich stand sonst in ziemlich schlechtem Geruche, denn die Astrologen nannten sie Cloaca Planetarum, weil der Himmel dort stets voll Wolken und Regen ist. Man erzählt aber, daß sich dort in einem See, so lange als die Kurfürst bestanden, zu gewissen Zeiten ein ungewöhnlich großer, gänzlich unbekannter Fisch habe sehen lassen, der stets den Tod des Landesfürsten angezeigt habe.

Als Wahrzeichen von Trier gilt aber das sogenannte Trebeta-Bild auf dem Stadthause daselbst. In der Mitte desselben ist der angebliche Gründer der Stadt Trier, Trebeta, der Sohn des Assyrischen Königs Ninus mit Turban und Königsmantel abgebildet, er trägt auf dem Schooße und auf jeder Hand ein Gebäude mit Türmen. Unterhalb Trebeta befindet sich Ninus, auf dem Haupte eine Königskrone tragend, worin die Worte zu lesen sind: Ninus Rex. Links steht ein Mercurbild, das zwischen zwei Magnetsteinen schwebt, rechts ein Jupiter, welcher eine Schale mit emporlodernder Flamme hält. Außerdem befindet sich hinter Trebeta’s Haupte und in jeder der beiden untern Ecken ein Türme tragendes Gebäude, so daß im Ganzen sechs solcher Gebäude auf dem Bilde vorhanden sind. Oben über der Mitte des Gemäldes ist ein Wappen, woran eine Schleife hängt. Auf letzterer stehen die Worte:

Trebeta, vonn Erenn schon

Dregt Trier, die edell Kron.

Unterhalb Trebeta und Ninus liest man:

Semiramis, ein Kinigin

Des Reichs von Assirien

Nini des Kinigs etlich Gemachel,

Ihr genuegist nit die große Zahl,

Die Land und Luidt, die sy besas,

Die Welth ir zu klain was

Dar zu als uns die Schrifft sacht,

Wart us dem Reich verjagt,

Jer Stief Sun, Trebetha genanth,

Der verlies sins Vatters Land,

Und bauth Trier, die edell Stath,

Die iren Namen da von hath.

Und wiert erkanth das Haubt und Kron

Vor andern Stedten in Europen schon,

In dem dritten Tail der Welth

Des Allter halben vuir gezelth,

Die loblich Stath an sich gebracht

Durch iere Weisheit, Kraft und Macht:

Strasburg, Basell und Kollen mit Streit,

Darzu Wurms, Mentzs mit der Zeit,

Mit vil andern Flecken und Schlos,

Mit Land und Leudt, die sy besas ierer gros

Und herrlich an Diensten, Silber und Golt;

Den sy auch behielt

Gueten Schirm und Frid

Nach der Statt und Rom Sitt,

Der sy sich gleichet an Ars und Regiment

So das sy dar nach wart genent

Der ander steten ein Bloem,

Das ander und dis zweith Rom.

Unterhalb der Figur des Ninus steht noch:

Schrift und Figur ist gemacht

Wie das Original mit sich bracht.

Links über dem Mercur liest man:

Vor Christus Geburt Trier die alte Stat

Zway dusent acht und nuinzig Jar gebuit wart;

Drey dusent hundert syben und sybenzig Jar

Nach Anfang der Welt ist angefangen sunder far;

Dusend drei hundert Jar vor Rom

Ward uffgericht Trier, die edle Kron.

Unter dem Mercur steht:

Von Eisen was gegossen ein Bilde hoche,

Mercurius genent, der im Tempel floge,

Solches zwaier Magnetenn Krafft

Inn der Luffth schwebenn macht.

Rechts über dem Jupiter stehen die Verse:

Man listh von Noe, dem ser althen Mann,

Also wie er drei junger Suin gewann:

Ham, Sem, Japheth werden sy genanth

Der erst Affricam, der zweit Asiam erfult hath,

Japheth der drith, Europam er allain besas;

Daß Trier das Haubth und die Bluemen was.

Unter dem Jupiter endlich liest man:

Von Marmell ein Bild, Jupither genanth

Ein blatthenn hielt es in seiner Hanth,

Das was von Lischteun gemacht so guet

Das Weihrauch da in rauchet sunder Gluet.

Am Ende der Inschrift steht: 1559 Cl. Markar fecit 21. Aprilis 1684. Uebrigens existirt noch ein zweites Gemälde, dem hier beschriebenen ziemlich gleich, nur mit der Unterschrift 1559; der Maler Markar aber starb 1724.

Andere Wahrzeichen sind noch: der große Christoph am Römertor, dann der Eulenspiegel auf der Marktfontaine und der Stein beim Dome, der sogenannte Teufelsstein, den einst der Teufel dorthin unter Donner und Blitz geworfen haben soll, weil er sich ärgerte, daß auf den Pforten des Römertors dort eine Kirche erbaut worden war. Neuerdings bezeichnet man noch das schiefe Fenster an der St. Laurentiuskirche (Liebfrauenkirche) unmittelbar über dem Eingangsportale als viertes.

Die Volkssage aber erzählt, Trebeta der Stiefsohn der Assyrischen Königin Semiramis sei, von der unkeuschen Liebe derselben verfolgt, zu Schiffe gegangen und habe nach langem Herumirren in Afrika und Europa sich endlich hier im jetzigen Gebiete von Trier niedergelassen, eine Stadt erbaut, die nach ihm Treviris genannt worden sei, und sei nach seinem Tode auf Veranstaltung seines Sohnes Herot göttlich verehrt worden. Auf der Höhe des Marsberges, dem jetzt sogenannten Franzenknöppchen, sei er beerdigt worden.

Constantinischer Palast

Nach der Volkssage werden die Bewohner des sogenannten Constantinischen Palastes und der benachbarten Häuser in der Nacht durch Lärm und ein Gespenst gestört, welches in demselben um Mitternacht im Kaiserornat Trepp auf Trepp ab durch alle Säle und Zimmer langsam schlurft. Die Ursache seines ruhelosen Umherirrens soll sein, daß er eine der h. Jungfrau geweihte Kirche, die an dieser Stelle stand, niederreißen ließ und an der Stelle derselben sich diesen Palast errichtete. Wird dieser aber einmal entfernt und wieder durch eine Kirche ersetzt, so wird der Geist des Kaisers auch wieder zur Ruhe kommen.

Der Basilisk

Dicht an dem alten Neutor steht heut noch rechts ein altes Gebäude, welches früher ein Befestigungsthurm gewesen zu sein scheint. In demselben ist jetzt noch zu ebener Erde rechts ein dunkler Raum, dort soll sich früher ein Ungeheuer aufgehalten haben, halb Hahn, halb Drache. Aus seinem Schnabel kam Feuer heraus, sein Schwanz glich einem Drachenschweife, auf seiner schwarzen Federbrust wallte ein Ziegenbart mit Giftschaum benetzt, an jeder seiner Fersen war ein scharfer Sporn und an seinen Zehen drohten starke Klauen. Im Magen hatte das Thier ein Goldei. Es war unverwundbar gegen Feuer, Schwert und Pfeile, nur wenn es sein Bild im Spiegel sah, mußte es sterben. Allein schwer scheint es gewesen zu sein, letzteren dem Thiere vorzuhalten, Keiner wenigstens, der sich in den Turm mit einem solchen wagte, ist wieder zurückgekehrt. Sein Bild in Relief ausgehauen befand sich bis zum Jahre 1817 noch an einem der Türme des Tors, jetzt wird es in Trier noch in dem Saal der Gesellschaft für nützliche Forschungen vorgezeigt.

Die Schwalben im Dom

Einst las der Bischof Egbert die Messe im Dom zu Trier, da kamen nach und nach eine solche Menge Schwalben durch die offenstehenden Fenster geflogen, daß derselbe durch den Lärm, den sie durch ihr Herumschwärmen um den Hochaltar machten, gestört, die Messe kaum vollenden konnte. Da ward der Bischof zornig und sprach einen Fluch gegen sie aus, daß jede Schwalbe, die noch in der Kirche sei oder später einmal hereinkommen werde, sofort des Todes sein solle, und leblos stürzten alle, die noch im Dom herumflatterten, herab, und so ist es bis diese Stunde geblieben.

St. Rusticus und St. Goar

In der Mitte des 6. Jahrhdts. lebte zu Trier ein Erzbischof Namens Rusticus, ein ziemlich unheiliger Mann, denn er liebte Prunk, Schwelgerei und war sogar ein großer Freund des schönen Geschlechts. Um dieselbe Zeit aber hielt sich im Trier’schen ein armer, vom Volke als Heiliger verehrter Mann Namens Goar auf, der im Bettlergewande und zerrissenen Schuhen durch’s Land zog und durch Händeauflegen und mit Gebet Menschen und Vieh kurirte. Dies verdroß den Erzbischof, denn er war neidisch auf ihn, weil alle Welt nur von diesem Wundermann sprach und an den Oberhirten des Trier’schen Erzbisthums kaum noch Jemand dachte. Er befahl also denselben zu ihm zu führen und als St. Goar in seinem zerlumpten Mantel vor ihm stand, da hieß er ihn seinen Mantel ausziehen und als dieser sich damit ausredete, daß ja kein Nagel da sei, an welchen er ihn aufhängen könne, da meinte Rusticus höhnisch, einem Wunderthäter, wie er sei, werde es nicht schwer fallen, auch in einem leeren Raume einen Gegenstand zu entdecken, an welchen er den Mantel hängen könne. Da sprach Goar: »Ganz recht, das macht mir auch keine Sorge, ich werde meinen Rock an dem Sonnenstrahl hier aufhängen,« und o Wunder! er nahm den Mantel ab und plötzlich hing derselbe an dem Sonnenstrahl wie an einem Eisenstabe. Da dachte Rusticus nach, wie er dem heiligen Manne ein anderes Bein stellen möge. In demselben Augenblicke trat der Sacristan des Doms herein, ein nacktes Wickelkind auf dem Arme, und sprach: »Seht, hoher Herr, dieses Würmlein fand ich eben im Dome am Hochaltar. Wer mag das Kind dort ausgesetzt haben?« Da gerieth der Kirchenfürst in schweren Zorn und rief: »Weh, wer das getan hat, der soll es schwer büßen; jetzt, Freund Wundermann, kannst Du Deine Weisheit zeigen; sage uns, wer die gottlose Mutter des Kindes ist!« Da schaute sich St. Goar das Kindlein eine kurze Weile an, und sprach: »Zwar ist die Wahrheit ein bitteres Kraut, aber es muß verschluckt werden. Die Mutter des Kindes heißt Flavia, die, weil sie ihr Buhle in Noth verlassen, dasselbe ausgesetzt hat; der Vater zu dem Kinde aber bist Du selbst, Erzbischof Rusticus!« Da sank der gottlose Mann wie vom Blitz getroffen zur Erde nieder und legte seine Würde ab und diente noch zehn Jahre lang in einem Kloster zu Trier dem Herrn als niedriger Mönch. Gleichwohl ward er aber nach seinem Tode vom Papste heilig gesprochen.

Arimaspes und Eptes

In dem Marstore soll das Grab eines römischen Senators sein, genannt Arimaspes, der soll, nachdem er einen Räuber, Namens Eptes, zum Tode verdammt, hierher gezogen sein, um hier sein Alter im Schooße seiner Familie ruhig zu verleben. Mittlerweile war es aber dem Bösewicht gelungen zu entfliehen, der einzige Gedanke desselben aber war, wie er sich an dem, der ihn zu so schwerer Strafe verurteilt, rächen könne. Er durchzog ganz Italien, ohne ihn zu finden, als er aber über die Alpen kam und in das schöne Rheinland gelangte, war er glücklicher, denn in Trier hörte er den ungewöhnlichen Namen seines Feindes und beschloß nun hier sich an demselben, der von seiner Ankunft nichts ahnte, blutig zu rächen. Als nun Arimaspes eines Abends nach Hause kam, da fand er sein Haus offen und als er entsetzt hineineilte, kam ihm Eptes mit blutigem Schwerte entgegen und stieß es ihm ins Herz. Er hatte in einer Nacht den Hausherrn mit Gemahlin und Kindern ermordet. Der Unglückliche erhielt an dem erwähnten Tor ein prachtvolles Grabmal.

Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates

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