Sagen rund um den Kyffhäuser

Sechs Meilen von Erfurt, wo im Jahre 1170 und 1180 Kaiser Friedrich Barbarossa Weihnachten feierte und wo er 1181 einen Reichstag hielt, erhebt sich am südlichen Abhange des Harzes in der sogenannten güldenen Aue der Kiffhäuser-Berg, der auf Artern, Sangerhausen, Wallhausen, Roßla und Stollberg herabsieht und an seinem Fuße das Städtchen Kelbra und die Dörfer Tilleda und Sittendorf hat. Seinen Namen trägt er von den Trümmern einer uralten kaiserlichen Pfalz- und Reichsburg und erregt in diesen zwei hohen Turmmauern noch Bewunderung. Ohnstreitig bezeichnete sein Name Kyff-Haus ursprünglich: Streitburg, von dem veralteten Kiff maken, d.h. zanken, streiten, das sich noch in unserem Worte »keifen« erhalten hat. Von diesem Berge gehen nun verschiedene Sagen um.

Inhaltsverzeichnis

Der verzauberte Kaiser im Berg

Ein Bergmann, der still und fromm für sich lebte, ging einst am dritten Ostertag auf den Kiffhäuser. Da fand er an der hohen Warte einen Mönch sitzen, mit einem langen weißen Barte, der ihm bis aufs Knie reichte. Als dieser den Bergmann sah, machte er ein großes Buch zu, worin er las, und sagte freundlich zu ihm: »Komm mit mir zum Kaiser Friedrich, der wartet schon seit einer Stunde auf uns. Der Zwerg hat mir schon die Springwurzel gebracht.«

Dem Bergmann grauste es über seinem ganzen Körper; doch der Mönch sprach ihm so tröstlich zu, daß er ganz freudig mitging und ihm versprach, keinen Laut hören zu lassen, es möchte auch kommen, was da wolle. Sie gingen nun auf einen freien Platz, der ringsum von einer Mauer umschlossen war. Da machte der Mönch einen großen Kreis mit seinem Krummstabe und schrieb wunderbare Zeichen in den Sand. Dann las er lange und laut Gebete aus dem großen Buche, die der Bergmann aber nicht verstand. Endlich schlug er mit seinem Stabe dreimal auf die Erde und rief: »Thue dich auf!«

Da entsteht unter ihren Füßen ein dumpfes Getöse, wie bei einem fernen Gewitter; es zittert unter ihnen die Erde. Und nun sinkt der Bergmann mit dem Mönch, der seine Hand gefaßt hat, mit dem Boden, so weit der Kreis umzeichnet war, ganz in die Tiefe hinab. Sie treten hinunter und der Boden steigt wieder langsam herauf. Nun waren sie in einem großen Gewölbe. Der Mönch geht mit festen Schritten voran, der Bergmann mit zitternden Knieen hinterher. So gehen sie einige Gänge hindurch, bis es anfängt ganz dunkel um sie her zu werden. Bald aber finden sie eine ewige Lampe und sehen, daß sie sich in einem geräumigen Kreuzgang befinden. Der Mönch steckt hier zwei Fackeln an, für sich und seinen Begleiter. Sie gehen fort und mit einem Male stehen sie vor einem großen eisernen Kirchentor. Der Mönch betet, hält die Springwurzel, vor der alle bezauberten Riegel aufspringen, an das Schloß und ruft: »Oeffne dich, Thür!« und mit Donnerkrachen springen alle die eisernen Riegel und Schlösser von selbst auf und sie sehen vor sich eine runde Kapelle. Der Boden war spiegelglatt wie Eis und wer nicht keusch und züchtig gelebt hatte (so sagte nachmals der Mönch dem Bergmann), brach hier beide Beine und kam nie zurück. Die Decke und die Seitenwände des runden Gewölbes flimmerten und flammten beim Schein der Fackeln. Große Zacken von Krystall und von Diamanten hingen da herab und zwischen ihnen noch größere Zacken von gediegenem Golde. In der einen Ecke stand ein goldener Altar, in der andern ein goldenes Taufbecken auf silbernem Fuß.

Der Mönch winkte nun seinem Begleiter, gerade in der Mitte stehen zu bleiben, und gab ihm in jede Hand eine Fackel. Er selbst ging zu einer ganz silbernen Thür, klopfte dreimal mit dem Krummstabe an und die Tür sprang auf.

Der Tür gegenüber saß auf einem goldenen Throne der Kaiser Friedrich I. Barbarossa, nicht etwa aus Stein gehauen, nein! wie er leibte und lebte, mit einer goldenen Krone auf dem Kopfe, mit dem er beständig nickte, indem er die großen Augenbraunen zusammenzog. Sein langer rother Bart war durch den steinernen Tisch, der vor ihm stand, durchgewachsen und reichte ihm bis auf die Füße herab. Dem Bergmann verging Hören und Sehen über dem Anblick.

Endlich kam der Mönch zurück und zog seinen Begleiter schweigend fort. Die silberne Pforte schloß sich von selbst wieder zu; das eiserne Thor schlug mit schrecklichem Geprassel hinter ihnen zusammen. Als sie den Kreuzgang hindurch wieder in die vordere Höhle kamen, senkte sich langsam der kreisrunde Boden herab; Beide traten darauf und wurden sanft in die Höhe gehoben.

Oben gab der Mönch dem Bergmann zwei kleine Stangen von einem unbekannten Erz, die er aus der Kapelle mitgebracht hatte und die seine Enkel noch jetzt zum Andenken aufbewahren. Nach einer andern Sage hätte der Mönch diese Stangen aber von dem alten Kaiser selbst erhalten und wären dieselben nicht von besonderem Erz, sondern von Golde gewesen und nach und nach von dem Bergmann und seiner Familie eingeschmolzen und der Erlös verbraucht worden.

Der Hirte und der Kaiser Friedrich

Die Schäfer und Hirten, welche auf dem Kiffhäuser weiden, sind besonders die Günstlinge des Kaisers gewesen und dessen Pagen und Hofjunker, die in Zwerge, Mönche und andere verkrüppelte Gestalten verwandelt wurden, haben sich stets gern mit ihnen abgegeben. Einem Hirten, der einst, an das alte Gemäuer der Burg gelehnt, sich ein lustiges Liedchen pfiff, erschien auf einmal solch ein kaiserl. Hofdiener und frug ihn: »Willst Du Kaiser Friedrich sehen?« »O ja!« erwiederte der dreiste Hirt. Der Zwerg führte ihn nun in den Berg, der sich immer vor ihnen her öffnete, bis sie endlich an eine große weite Grotte kamen. Hier saß der Kaiser leibhaftig in glänzendem hellfunkelndem Schmuck. Die Wände der Grotte waren mit flimmernden Sternchen übersäet, und vor dem Kaiser auf einem steinernen Tische brannte ein großes dickes Licht. Der Schäfer machte eine Verbeugung so gut er konnte, war aber gar nicht furchtsam, schaute vielmehr umher und besah alle die Kostbarkeiten, die hier standen. Nach einer Weile fragte ihn der Kaiser, ob die Raben noch um den Berg flögen. »O ja«, erwiederte der Hirt. Da blickte der Kaiser gen Himmel, hob langsam seine dürren braunen Mumienhände auf und sprach mit weinerlicher Stimme: »Ach, so muß ich noch hundert Jahre an diesem Orte schlafen!« Der Zwerg winkte hierauf dem Schäfer. Sie gingen zurück, er erhielt aber nichts. Unwillig wollte er schon den Zwerg darüber zur Rede setzen, aber fort war er.

Die Musikanten und der Kaiser

Der Kaiser Barbarossa liebte die Musik sehr; mancher Hirt, der auf dem Kiffhäuser auf seiner Schalmei blies, wurde schon zu ihm eingeladen, um ihm etwas vorzublasen, und dann beschenkt. Dies war in der Gegend bekannt. Eine Gesellschaft Musikanten beschloß daher, dem Rothbart eine vollständige Nachtmusik zu bringen. Sie machten sich also in einer finstern Nacht auf, stiegen mit ihren Geigen, Schalmeien, Zimbeln und Hörnern den Berg hinan, und als unten in Tilleda die Glocke zwölf schlug, bließen sie los. Beim zweiten Tanze, den sie spielten, kam die Prinzessin (eine Tochter Friedrichs) mit Lichtern in der Hand auf sie zugetanzt und lud sie durch Geberden ein ihr zu folgen. Der Berg öffnet sich und die ganze Gesellschaft zieht spielend ein. Essen und Trinken wird reichlich aufgetischt und die Musikanten lassen sich’s gut schmecken. Dies war nun zwar ganz gut, aber sie wollten auch gern etwas von den Edelsteinen haben, die nur so herumlagen. Allein Niemand bietet ihnen etwas an. Nicht ganz zufrieden brechen sie endlich auf, als schon der Morgen graut, meinend, beim Abschiede werde es wohl ein Trinkgeld geben. Allein der Kaiser nickt ihnen nach großer Herren Art nur freundlich zu und seine erlauchte Tochter giebt jedem Musikanten einen grünen Busch. Ehrenhalber nimmt ihn Jeder an, als sie aber wieder im Freien sind, werfen sie die Büsche weg und schimpfen und lachen über solch ein kaiserliches Geschenk. Nur Einer behält den Busch, um ihn zum Andenken aufzuheben. Als dieser nach Hause kommt und seinem Weibe den Busch aus Scherz überreicht, siehe, da hatten sich alle Blätter in goldene Zehnthalerstücke verwandelt, worüber er nicht wenig erfreut erschrack, es flugs seinen Kameraden sagte, ihre weggeworfenen Büsche wiederzuholen, aber Keiner fand einen solchen mehr.

Der Kaiser und der geizige Bauer

Einst fuhr ein Bauer in Gehofen mit einem Wagen voll Getreide nach Nordhausen, um es da zu verkaufen. Die Tage waren schon kurz, die Wege schlecht, die armen Pferde keuchten unter der drückenden Last nur langsam fort und immer öfter mußten sie ruhen. Der Bauer zweifelte natürlich daran, den Abend noch nach Nordhausen zu gelangen, tröstete sich aber damit, daß er doch wenigstens Kelbra erreichen und hier die Nacht bleiben könne. Allein der Weg ward schlecht und immer schlechter, in der Gegend des Kiffhäusers ward er geradezu grundlos und plötzlich sank der Wagen mit seinen Vorderrädern in eine Vertiefung, aus welcher die matten Thiere ihn nicht zu ziehen vermochten, trotz Fluchens, Peitschens und Tobens. Da nun der Bauer sah, daß er ohne Hilfe absolut nicht weiter kommen könne, fiel er auf die Kniee und betete ein Vaterunser. Kaum war er wieder aufgestanden, so sah er vom Kiffhäuserberge herab ein Licht kommen, das sich gerade auf ihn zuwendete. »Ach«, rief er aus, »da schickt mir Gott durch Kaiser Friedrich Hilfe!« Und so war es auch, bald war das Lichtlein bei ihm, aber wer trug es? ein kleines knurzeliches Männchen, hinten und vorn mit Höcker begabt, alt und faltig. »Kann ich Dir helfen?« sprach es. »Ja, mein Lieber«, antwortete Christoph – so hieß der Bauer, – »Hilfe habe ich nöthig, aber Du wirst mir wohl nicht helfen können!« und sah dabei das Männchen mitleidig an. »Das kann man nicht wissen«, entgegnete dieses, »ich will es wenigstens versuchen!« Dabei sprang er wie ein Windspiel auf den Wagen, nahm Zügel und Peitsche, hieb auf die Pferde ein und rief: »fort!« und dorthin rollte zum Erstaunen Christophs der schwere Wagen, als sei er auf dem ebensten Wege. Schon naheten sie sich dem Oertchen Kelbra, da fragte das Männchen den Bauer: »Willst Du nicht Dein Getreide verkaufen?« »Warum dies nicht!« erwiederte dieser. »Nun, so fahren wir links auf den Kiffhäuser«, und damit lenkte das Männchen links nach dem Berge zu. Es hielt den Wagen vor einer in den Berg führenden Oeffnung an und hieß Christoph abladen und die Säcke dahinein bringen. Der Bauer that’s auch, drinnen aber, wo er die Säcke niedersetzte, standen viele Kisten und Kästen, alle mit Gold und Silbergelb angefüllt. Er staunte ob des Reichtums und Ueberflusses, und jedes Mal, wo er einen Sack niedersetzte, blieb er eine Weile die Schätze anstaunend stehen. Jetzt trug er den letzten hinein; da sprach das Männchen: »Nun kannst Du Dir aus den Kästen so viel Gold und Silber nehmen, als Du für Dein Getreide in Nordhausen gelöst hättest. Nimm aber nicht mehr, hörst Du, nicht mehr!« Christoph ließ sich dies nicht zweimal sagen, flugs ging er zu einem der Kasten, der nur Goldstücke enthielt, griff mit vollen Händen hinein und steckte bei, soviel nur seine Taschen fassen wollten, indem er dachte, das Männchen wisse viel von den Getreidepreisen in Nordhausen. Er kehrte hierauf zu seinen Pferden zurück, bei denen das Männchen stand, reichte ihm die Hand und sprach: »Danke schön, Vetter, wenn Ihr’s erlaubt, komme ich bald wieder!« »Du hast doch nicht mehr genommen«, erwiederte das Männchen, »als ich Dir gesagt?« »Nein, nicht mehr!« »Gewiß nicht mehr?« fragte es nochmals mit betonter Stimme. »Nein, Vetter! Aber nun gute Nacht, ich will nun machen, daß ich die müden Pferde in den Stall bringe.« »Gute Nacht!« sprach das Männchen, »doch hast Du mich betrogen, hast Du Dich betrogen!« Kaum konnte der Bauer erwarten, bis er im nächsten Dorfe sich einquartiert und die Pferde in den Stall gebracht hatte. Dann ging er in seine Kammer, die ihm zur Ruhe angewiesen war, setzte sich an den Tisch, um zu zählen, wie viel er beigesteckt habe, und um seine Taschen, die ihm immer schwerer zu werden dünkten, zu leeren. Allein wie ward ihm, als er statt der Goldstücke nichts als bleiernes Geld sah! Das war nun freilich kein geringer Schreck, allein er tröstete sich damit, daß er doch den andern Morgen früh wieder auf den Berg gehen und dem kleinen Männchen sagen könne, er habe sich vergriffen und Blei für Silber gehalten, er möge ihm also dieselben wieder umtauschen, dann habe er ja immer noch das Doppelte für sein Getreide. Beruhigt durch diese Hoffnung legte er sich nieder und schlief, bis die Sonne schon den Kiffhäuser Burgthurm röthete. Da sprang er vom Lager auf und eilte den Berg hinan. Schon unten am Fuß desselben begann es zu regnen und je höher er stieg, desto mehr trübte sich der Himmel, immer dichter und dichter regnete es nieder, und als er oben war, umgab ihn dichter Nebel. Er sah nichts und hörte nichts. Sein Rufen nach dem Männchen war umsonst, er mochte noch so viel hin- und herlaufen. Da kehrte er im höchsten Ingrimm um und machte seinem Aerger durch die Worte Luft: »Hol der Teufel den Rothbart mit seinem ganzen Hofgeschmeiß!« Kaum ausgesprochen, wankte der Boden unter seinen Füßen, es donnerte, blitzte, krachte und hagelte, der Bauer lief zwar schnell hinab, allein um ihn her türmten sich Felsen auf, umschlossen ihn, stürzten mit Geprassel zusammen und zerschmetterten den Lügner und Habsüchtigen.

Der gealterte Brautpaar

In Tilleda wohnte ein armer, aber frommer Tagelöhner. Seine Tochter war Braut von einem ebenso dürftigen und redlichen Handwerker. Morgen sollte die Hochzeit sein. Die Gäste waren geladen, aber Niemand hatte daran gedacht, daß im ganzen Hause nur ein Topf, eine Schüssel und zwei Teller waren. »Was machen wir?« hieß es, und Keiner wußte Rath. Endlich sagte der Vater halb im Scherz, halb im Ernst: »Ei, geht auf den Kiffhäuser, vielleicht leihet Euch die Prinzessin Alles!« Das Brautpaar geht wirklich hin; vor einer Oeffnung des Berges steht die Prinzessin. Sie nahen sich ihr mit Knixen und Bücklingen und bringen ihr Anliegen schüchtern vor. Die kaiserliche Hoheit lächelt und befiehlt zu folgen, worüber Hans und Grete außer sich vor Freude sind. Die Prinzessin giebt ihnen nun erst zu essen und dann packt sie ihnen mit ihren eigenen unverwelklichen Händen einen großen Tischkorb voll Teller, Schüsseln, Löffel etc. auf. Die beiden Brautleute bedanken sich schönstens, versprechen, morgen Alles unversehrt zurückzuliefern und auch etwas Reisbrei und Hochzeitskuchen mitzubringen. Wie eilten sie, nach Tilleda zu kommen, so schwer auch der zugedeckte Tischkorb war. Aber wie wurde ihnen, als sie ein ganz neues Tilleda vor sich sahen. An der Stelle, wo ihres Vaters Hütte stehen mußte, fanden sie einen großen Ackerhof. Kein Nachbarhaus war ihnen mehr kenntlich; kein Baum, kein Garten war mehr da, wo sie sonst dergleichen gesehen. Lauter fremde Menschen, die sich um das Brautpaar sammelten und es mit eben der Verwunderung und Neugier ansahen, als dieses die Gaffenden betrachtete. Sie setzten ihren Korb auf die Erde und sahen sich verdutzt und verlegen an. Da kam der Prediger von Tilleda. Grete ging auf ihn zu, klagte, daß sie beide wie verrathen und verkauft unter den Leuten wären, erzählte, daß sie gestern auf den Kiffhäuser gegangen wären und was ihr und ihrem Bräutigam seitdem geschehen sei. Der Herr Pastor nahm darauf das Brautpaar mit in sein Haus, schlug das Kirchenbuch nach und fand darin angemerkt, daß Hans und Grete vor länger als 200 Jahren auf den Kisshäuserberg gegangen und nicht zurückgekehrt waren. Ob sie bei ihrer Rückkehr noch in der Frische der Jugend standen oder auch eisgrau geworden waren, sagt die Geschichte nicht.

Der Storkauische Hof zu Kelbra

Unter der Rothenburg liegt das zu Preußen gehörige Städtchen Kelbra, eigentlich Kälberaue von seiner guten Kälberzucht genannt. Im Jahre 1597 bei einer Theuerung daselbst entstand unter dem hungrigen Volke ein Geschrei, es finde sich zwischen Kelbra und Auleben in einem Berge schönes und lauteres Mehl; darauf war ein großes Zulaufen auf den Straßen darnach und wollte ein Jeder solches Mehl holen und verbacken. Allein die Meisten, die davon gegessen, sind daran gestorben. Damals war hier ein Nonnenkloster, dem heil. Georg geweiht, davon sind nur noch Trümmer übrig, die Stätte aber, wo es stand, ist jetzt mit Oeconomiegebäuden besetzt und heißt der Storkauische Hof. Von da aus geht der Sage nach ein Gang hinauf bis an die Keller der Rothenburg, durch welchen man Proviant und Nachrichten hinaufschaffte. Ein Besitzer dieses Hauses soll einen Bund mit dem Teufel gemacht haben und von diesem nach Ablauf des Pactes geholt worden sein und zwar durch die Feueresse, wovon unten am Gemäuer noch die Blutspur zu sehen ist, wie der Verdammte hin- und hergeschleudert wurde.

Die Sage von der Rothenburg

Unzertrennlich von dem Kiffhäuser ist die Rothenburg, zu der sich von seinen Ruinen ein schöner breiter Weg auf dem Rücken des Gebirges herabsenkt. Zwar gehört auch sie zum Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt, allein ihre Lage zwischen Nordhausen und Sangerhausen bringt sie dermaßen in Verbindung mit dem preußischen Thüringen, daß sie hier nicht gut zu übergehen ist, weil sonst die ganze Sagenreihe dieses Theils des Königreiches eine Lücke haben würde.

Im Dorfe Hackpfiffel in der Nähe der alten Rothenburg, von der ebenfalls noch die Ruinen des Hauptgebäudes und eines 80 Fuß hohen, runden, fast bis an seinen Fuß geborstenen Turmes übrig sind, lebte vor mehreren hundert Jahren ein Schulmeister, Namens Renatus, der sich viel mit den geheimen Wissenschaften beschäftigt hatte und selbst Versuche Gold zu machen angestellt hatte. Nebenbei war derselbe aber auch noch ein vorzüglicher Zitherspieler, der, wenn’s im Dorfe einen Tanz gab, aufzuspielen pflegte und wegen seiner Geschicklichkeit allgemein gesucht und beliebt war. Der geht nun einstmals hier vorbei bei dem alten Mauerwerk, als es schon angefangen hatte dämmerig zu werden, hat seine Zither auf dem Rücken hängen und will noch hinüber nach Rathsfeld, was dort jenseits des Berges liegt. Da schreit eine Riesenstimme aus dem dicken Turme heraus: »Renatus, steh!« Derselbe fährt vor Schreck in einen Klumpen zusammen, denn wenn er auch ein sehr beherzter Mann war, so kam ihm doch dieser Anruf aus der verstörten Stätte, vor der er so oft schon und selbst um Mitternacht herum ungestört vorübergegangen, gar zu unerwartet. Er bleibt stehen, sieht und hört aber nichts, will schon weiter schreiten, da schreit’s mit noch gräßlicherer Stimme: »Renatus, steh!« Er steht, zittert aber wie ein Espenlaub. Da tritt aus jener Tür dort eine große, lange, hagere Gestalt heraus, hat ein langes graues Kleid an, einen Strick um den Leib, eine hohe spitze Mütze auf dem Kopfe und vor der Brust einen schwarzen Totenkopf. Neben ihm steht ein großer, mächtiger, schwarzer Bullenbeißer mit feuerfunkelnden Augen, die sich immer hin- und herdrehen. Die Gestalt spricht: »Renatus, Dich habe ich auserkoren, ein großes wichtiges Werk zu vollbringen, denn Du bist ein Mann, der in den Sternen liest und der die verborgenen Kräfte der Erde kennt. Tritt hier in dies Gewölbe, dort findest Du ein totes Kind, dem grabe ein Grube in der Ecke und übergieb es der Mutter Erde!« Renatus verbeugt sich stumm, als wolle er tun, was verlangt werde, legt seine Zither vor der Tür nieder und tritt ein. Im Hintergrunde sieht er bei spärlichem Lichte ein totes Kind an der Erde liegen, nicht fern davon eine weibliche Gestalt, die Hände ringend und »wehe, wehe, er ist tot!« ein Mal über das andere in Thränen ausrufend. »Nun«, spricht der hagere häßliche Mann, »thue wie ich Dir gesagt habe.« Da ergreift der zitternde Schulmeister einen Spaten und beginnt die Grabesöffnung zu machen. Leicht wird ihm das in dem lockern Boden, aber dennoch ist er in Angstschweiß gebadet. Jetzt ist er fertig mit dem kleinen Grabe, da nimmt die immer noch fortwimmernde und jammernde Frau das Kind auf, wickelt es in ein feines Tüchlein und legt es in das Grab, wirft die erste Hand voll Erde auf die kleine Leiche und sinkt ohnmächtig zurück. Renatus bedeckt diese vollends mit Erde und bald ist er mit dem Grabhügel fertig. »Gut so, Renatus«, spricht der Mann, »ich bin zufrieden mit Dir. Hier ist Speise und Trank, erhole Dich. Draußen findest Du ein Roß, das besteige, es wird Dich sicher und ruhig dahin tragen, wohin Du wolltest!«

Renatus steckt in die Tasche, was er erhalten, dankt aber für das Roß, versichert, er verstehe nicht zu reiten, gehe lieber und will zur Tür hinaus. Da hält ihn der böse Mann am Arme und spricht: »Du sollst und mußt reiten, ich befehle es Dir. Das Roß ist sanft und gut, Du leidest nicht Schaden und wirst es noch oft reiten, denn es soll Dein eigen sein. Das aber sage ich Dir, berühre beim Reiten nicht die Saiten Deiner Zither, sonst bist Du verloren, hörst Du, sonst bist Du verloren, bis Dir ein weißes Roß begegnet.«

Renatus nickt, als wolle er tun wie ihm befohlen, geht hinaus, nimmt die Zither und arbeitet sich mit vieler Mühe auf das ruhig stehende kohlschwarze Roß. Das geht nun sichern Schrittes fort und je länger je mehr kehrt der Muth bei Renatus zurück, glücklich nach Rathsfeld zu gelangen. Immer mehr nimmt seine Angst ab und er wird so sorglos, daß er dem Gaul die Zügel auf den Hals legt und Speise und Trank hervorholt, sich zu stärken. Gar herrlich schmeckt es ihm, denn er ist sehr verhungert gewesen, und in der Flasche, voll des besten Weines, bleibt kein Tropfen. Leer ist sie, hoch wirft er sie in die Luft und singt ein Lied voll Lust und Freude. Jetzt sieht er die Lichter in Rathsfeld und nun ergreift ihn ein Jubel, bald zu sein, wo er hin will. An den langen Mann und seine letzten Worte gedenkt er nicht mehr, greift in die Saiten der Zither und singt sich eins. Ach, wie geht’s dem armen Schulmeister da! Das Roß schnaubt und tobt, es bäumt sich, schlägt hinten und vorn aus und endlich rennt es im schnellsten Jagen vorwärts. Renatus sucht es zu halten und zu beruhigen, aber Alles umsonst. Er will sich hinunterwerfen, aber nicht los kommen konnte er, wie angefesselt ist er, und wilder und immer wilder rennt das unbändige Thier fort in’s Weite, durch Thäler und über Berge, ohne zu rasten. Renatus ringt die Hände, streckt sie gen Himmel, betet, flucht, jammert und wimmert, aber nichts hilft; das schwarze Thier rennt, er sitzt fest darauf, muß mit fort, und dabei drängt es ihn unaufhörlich, auf der Zither zu spielen, er kann es nicht lassen, so gern er auch will. So läuft das Roß zwei Nächte und einen Tag in einem fort und Renatus hängt zuletzt matt und totenbleich von ihm herab. Da steht es endlich mit Schaum bedeckt, Renatus schlägt die Augen auf, er sieht sich in einer öden Gegend und sieht, daß einer auf einem weißen Rosse auf ihn zureitet. Ehe sich dieser ihm aber ganz naht, fällt er ohnmächtig vom Gaule auf den Sand nieder. Wie lang er da gelegen, hat er nicht gewußt, als er aber erwachte, lag er in einem schönen, prächtig geputzten Bette und daneben stand ein Mann und ein bildschönes Mädchen, die wie Türken angezogen waren.

»Wo bin ich denn?« fragt der erstaunte Schulmeister. Da erzählt ihm das Mädchen, daß er viele tausend Meilen weit von Hackpfiffel entfernt und in Asien sei, daß er auf der Rothenburg das Werkzeug einer Frevelthat gewesen und dort ein böser Geist sich seiner bedient, um sich an Kaiser Friedrich dem Rothbart zu rächen, und da er, der Warnung ungeachtet, die Zither doch gespielt, der Spruch an ihm in Erfüllung gegangen sei, so lange zu reiten, bis ein weißes Pferd ihm begegne. Des Mädchens Vater, der ein Fürst gewesen ist, fuhr dann fort: er habe des armen Renatus Loos gekannt, seine Tochter aber, die im Zauberspiegel gesehen, wie traurig es ihm ergangen, habe aus Mitleiden gebeten, er solle ihm helfen, worauf er ihm auf seinem weißen Zelter entgegen gekommen sei und so den Fluch gelöst habe, der über ihn ausgesprochen gewesen sei.

Der Schulmeister dankt seinem Wirth schönstens für die große Hilfe, und als er sich nach einigen Tagen erholt und sich wieder auf den Weg nach Hause begeben will, spricht der Fürst zu ihm: »Bleibe noch bei uns!« und Renatus bleibt auch wirklich noch mehrere Monate lang. In der Zeit weiß er gar nicht, wie ihm geschieht; er fühlt sich immer kraftvoller und jünger und wird immer schmucker. Bald sieht er sich wieder völlig als Jüngling in voller Blüthe stehen. Die schöne Prinzessin verliebt sich in den wieder jung gewordenen Renatus, und als ihr Vater stirbt, da zieht sie mit ihm als seine Frau nach Hackpfiffel. Sie nehmen große Reichthümer mit dorthin und leben hier lange glücklich, zufrieden und im Ueberfluß, und als sie endlich beide zusammen in einer Stunde sterben, da legt man sie zusammen in ein Grab. Den Stein aber, unter welchem der Schulmeister und die Türkin ruhen, kann man noch heute in Hackpfiffel sehen.

Der Püsterich auf der Rothenburg

m Schlosse zu Sondershausen wird noch heute ein sonderbares Götzenbild verwahrt, welches einst auf der Rothenburg gefunden ward, in die Familie derer von Tütcherode kam, die die Burg zur Lehn hatten (bis 1576) und von dieser im Jahre 1546 an den Grafen Günther von Schwarzburg abgetreten ward. Es wird dieses Bild gewöhnlich Päuster, Püstrich, Beustrich, Bausterich, von den Einwohnern der Güldenen Aue aber Beusterd und von den Niedersachsen Püster (d.h. Blasbalg) genannt, weil er die Feuerflammen gleichsam von sich gepustet oder geblasen habe. Dieses Bild ist aus einem unbekannten Metall, 2 Fuß 1/2 Zoll hoch und stellt einen dicken häßlichen Jungen vor, der scheinbar aus Bosheit das Gesicht verzieht. Er ist sehr stark von Gliederbau, hat aufgeblasene Backen, eine platte Nase, dumme Gesichtszüge und einen aufgetriebenen Bauch von 2 Fuß 6 Zoll im Umfange, kniet mit dem rechten Beine, hat die rechte Hand, die aber nicht vollkommen ist, da, wie es scheint, die Masse im Gusse ausgelaufen ist, auf dem Kopfe, die linke aber auf dem Knie liegen. Der linke Arm ist nicht mehr vollständig vorhanden, er fehlt vom Ellbogen an. Diese Verstümmelung nahm einst Landgraf Moritz von Hessen mit ihm vor, der den Püstrich einst nach Cassel kommen ließ, um ihn und das Metall, aus dem er gegossen ist, näher kennen zu lernen. Er schlug deshalb die Hälfte des linken Armes ab und behielt das Stück an sich; ob er aber gleich nicht herausbekam, aus welchem Metall der Götze gemacht ward, hat er es doch seinem rechtmäßigen Besitzer nicht zurückgegeben. Mitten auf dem Kopfe hat die Figur ein Loch wie ein Daumen dick und ein zweites ähnliches ist statt des Mundes vorhanden, auf dem Kopfe sind die Haare glatt gekämmt und im Nacken rund abgeschnitten, zwischen den Sitzbacken endlich ist ein Stück Eisen mit einem viereckigen Loche eingegossen, um ihn mittelst eines durchgesteckten Riegels festhalten zu können. Inwendig ist das Bild durchaus hohl und faßt ohngefähr 9 Maß. Die Füße fehlen beide, scheinen aber auch gar nicht daran gegossen zu sein.

Man sagt nun, daß wenn man diesen Götzen mit Wasser fülle, seinen Leib mit hölzernen Pflöcken verstopfe, hernach in das Feuer oder auf glühende Kohlen setze, er alsdann so sehr zu schwitzen anfange, daß ein Tropfen dem andern folge, sobald er aber gänzlich erhitzt werde, stoße er beide Pflöcke mit einem solchen Knalle von sich, als wenn es donnere, und hierauf werfe er aus beiden Löchern in die Höhe und Weite viele Feuerflammen.

Es sind zu verschiedenen Malen Versuche angestellt worden, ob sich dies wirklich so verhält. So hat man einst in der Schwarzburger Schloßküche eine derartige Probe gemacht, allein dieselbe ist schlecht abgelaufen, indem Alles umher in Brand und das Schloß selbst in Gefahr gerathen ist, in Feuer aufzugehen. Freilich wissen wir nicht, ob man sich zu diesem Versuche blos des Wassers, oder des Spiritus oder Oels bedient hat. Im Jahre 1814-15 wurde bei Sondershausen ein gleicher Versuch im Freien gemacht. Man füllte die Figur mit Wasser und verstopfte die Oeffnungen, die Wirkung war die gewöhnliche, wenn kochendes Wasser eingesperrt ist; die Dämpfe sprengten mit einem Knalle die Pfropfen heraus und qualmten alsdann aus den Oeffnungen. Feuerflammen bemerkte Niemand, so wenig als üble Gerüche; daraus folgt, daß man sich wahrscheinlich anderer Ingredienzen bedient hat, um Feuerflammen aus ihm heraussteigen zu lassen. Er ist eben weiter nichts als ein papinianischer Topf.

Wozu die Figur gedient habe, ist ebenfalls ungewiß. Einige sagen, die heidnischen Priester der Thüringer hätten sich ihrer bedient, um dem unwissenden Volke weiß zu machen, Gott zürne auf dasselbe, wenn sie donnere oder Feuer ausspeie, sie müßten also, dafern sie nicht des Todes sein wollten, denselben durch Opfer an Geld, Vieh, Früchte etc. zu besänftigen suchen. Als nun Karl d. Gr. durch Bonifacius alle Götzenbilder zertrümmen ließ, hätten sie den Püsterich in einer Vertiefung des Berges, auf dem man später die Rothenburg erbaute, versteckt und so sei er hierher gekommen. Allein die Gestalt hat eigentlich nichts Götzenartiges und die Bildung ihrer Haare läßt durchaus nicht auf ein vorchristliches Zeitalter schließen, ein slavischer Götze Püsterich wird aber nirgends erwähnt, auch kein ähnlicher. Eine andere Meinung ist die, die Räuber auf dem Kiffhäuser oder andern dort herum liegenden Schlössern hätten das Bild zur Vertheidigung gebraucht, weil man ihnen wegen dem Feuerspeien desselben nicht habe beikommen können. Eine noch andere Ansicht, die etwas mehr Wahrscheinlichkeit hat, ist die, daß die Mönche mit dem Bilde ihre Gaukelei getrieben und dasselbe auf der Rothenburg in die Kirche in eine Mauer hinter eine Tafel gestellt hätten. Da nun früher hierher jährlich eine große Wallfahrt angestellt ward, so sei, wenn viel Volks hier zusammengekommen, ein Mönch aufgestanden, habe gepredigt, sich sehr kläglich gestellt und gesagt, daß Gott im Himmel über ihre Sünde sehr zürne, und damit sie solches sehen möchten, werde der Püsterich bald donnern und höllisches Feuer ausspeien. Hierauf habe er befohlen, die Tafel aufzuheben, dahinter der Püsterich gestanden; wenn das geschehen, habe derselbe sich so, wie eben angegeben, gezeigt und alsdann sei von dem dummen Volke reichlich geopfert worden, damit sie Gott versöhnen könnten. Freilich hätten sie nicht gemerkt, daß sie von dem Mönche also wären betrogen worden, daß ein zweiter Mönch unter der Predigt durch einen heimlichen Gang in der Mauer hinauf zu dem Bilde gestiegen sei, dasselbe auf die vorhin erwähnte Weise zubereitet und die in den Löchern steckenden Zapfen mit einem Strick behend hinweggezogen habe, wenn der predigende Mönch befohlen habe, die Tafel aufzutun. Eine letzte fast burleske Erklärung der Figur hat der Bergkommissar Rosenthal in Nordhausen gegeben. Er sagt nämlich, der Püsterich sei nichts als eine Branntweinblase gewesen. Es sei nämlich ein Graf Heinrich von Rothenburg im zwölften Jahrhundert unter den Kaisern Heinrich VI. und Otto IV. kaiserlicher Küchenmeister (magister coquinae) gewesen (allerdings kommt in Urkunden jener Zeit ein gewisser Heinrich von Rothenburg, der aber hier den Grafentitel nicht führt, unter diesem Titel vor), als solcher sei er dem Letztern auf seinem Zuge zur Krönung nach Rom gefolgt und habe auf dieser Reise im Mantuanischen die leider noch heute vielfach exercirte Kunst erlernt, concentrirten Wein aus schlechtem herzustellen. Dies habe ihn bewogen, die Frankenhäuser und Wallhäuser Weine auf die nämliche Art zu veredeln, er habe sich also bei seiner Rückkehr zu diesem Behufe eine Destillirgeräthschaft angeschafft, welche, da sie in die kaiserliche Küche kommen sollte, die Gestalt eines Küchenjungen erhalten habe. In der Folge habe er diese Maschine mit auf die Rothenburg genommen und daraus seine Landweine abgezogen.

Sieht man sich nun die Figur genauer an, so könnte man auf den Gedanken kommen, dieser Püsterich sei vielleicht eine jener metallenen Teufelsfiguren, welche die Mongolen in der Schlacht bei Wahlstadt im Jahre 1241 vor ihrer Schlachtlinie aufstellten und welche eine feurige Masse ausspieen, durch welche die Pferde der christlichen Ritter erschreckt und beschädigt wurden. Sehr leicht könnte eine solche Figur an jener Stelle zurückgeblieben, dort später gefunden und auf irgend eine Art auf die Rothenburg gekommen sein. Möglicher Weise könnte diese Figur auch zu gleichem Zwecke den in der Umgegend von Sondershausen im Jahre 933 besiegten Hunnen gedient haben und von ihnen zurückgelassen worden sein.

Angeblich ist in der Nähe des Schützenbornes im Jahre 1632 ein broncener geharnischter Ritter auf einem ungesattelten Pferde, das hohl war und worin Flüssigkeiten gegossen werden konnten, ausgepflügt worden. Diese Figur soll nach Arnstadt gebracht, vom Fürsten Günther aber im Jahre 1731 der Dresdener Kunstkammer verehrt worden sein, wo sie sich aber nicht mehr befindet.

Der Ritterkeller

Einst richtete ein guter, aber armer Mann aus Tilleda eine Kindtaufe aus, und das seine achte. Er mußte dabei den Gevattern nach Sitte des Landes einen Schmauß geben. Bald war der Landwein, den er seinen Gästen vorzusetzen hatte, ausgetrunken und sie forderten mehr. »Geh«, sagte er im Scherze zu seiner ältesten Tochter, einem hübschen sechszehn Jahre alten Mädchen, »und hole uns noch bessern Wein aus dem Keller.« »Aus welchem Keller denn?« fragte das erstaunte Mädchen. »Ih«, antwortete der Vater, »aus dem großen Weinkeller der alten Ritter auf dem Kiffhäuser.« Das Mädchen geht in ihrer Einfalt, weil sie wirklich glaubte, ihr Vater spreche im Ernst, mit einem kleinen Eimer in der Hand den Berg hinan; in der Mitte desselben erblickt sie am verfallenen Eingange eines großen Kellers, den sie freilich nie zuvor gesehen, eine Schaffnerin in ganz ungewöhnlicher Tracht, mit einem großen Schlüsselbunde an der Seite. Sie verstummt vor Erstaunen, doch freundlich fragt sie die Alte: »Gewiß willst Du Wein holen aus dem Ritterkeller?« »Ja«, sagte das Mädchen, »aber Geld habe ich nicht.« »Komm mit mir«, sprach die Schaffnerin, »Du sollst umsonst Wein haben, und bessern Wein, als Dein Vater je gekostet hat.«

Sie gingen nun beide durch einen halbverschütteten Gang und das Mädchen mußte erzählen, wie es jetzt in Tilleda aussehe. »Einst«, sagte die Alte, »war auch ich jung und schmuck wie Du, als mich die Ritter des Nachts durch einen Gang unter der Erde aus dem Hause in Tilleda wegholten, das jetzt Deinem Vater gehört. Kurz vorher hatten sie am hellen Mittag die vier schönen Jungfern, die hier noch zuweilen auf prächtig geschirrten Pferden herumreiten und dann wieder verschwinden, mit Gewalt aus Kelbra entführt, da sie eben aus der Kirche kamen. Mich machten sie, als ich alt ward, zur Aufseherin des Weinkellers und das bin ich noch.« Jetzt standen sie vor der Kellertür und die Schaffnerin schloß auf. Es war ein großer geräumiger Keller und auf beiden Seiten lagen die Stückfässer. Die Schaffnerin klopfte an die Fässer, die meisten waren halb oder ganz voll. Sie nimmt den kleinen Eimer, zapft ihn voll trefflichen Weines und sagt: »Da bringe das Deinem Vater. Und so oft ein Fest in Euerem Hause ist, kannst Du wiederkommen, aber keinem als Deinem Vater sage, woher Du den Wein hast. Auch dürft Ihr keinen Wein verkaufen, umsonst bekommt Ihr ihn, umsonst sollt Ihr ihn geben. Kommt einmal einer her, der Wein haben will, um damit zu wuchern, dessen letztes Brod ist gebacken.« Das Mädchen brachte ihrem Vater den Wein, der den Gästen trefflich schmeckte, ohne daß sie jedoch errathen konnten, woher er kam. So oft nachmals in dem Hause ein kleines Fest war, holte das Mädchen Wein von Kiffhäuser in dem kleinen Eimer. Aber lange dauerte die Freude nicht; zwar wunderten sich die Nachbarn, woher der arme Mann den herrlichen Wein bekam, der in dem ganzen Lande so gut nicht war, allein der Vater sagte es Keinem und die Tochter auch nicht. Gegenüber wohnte jedoch ein Schenkwirth, der mit gefälschtem Wein handelte. Dieser hatte den Ritterwein auch einmal gekostet und dachte: den Wein konntest du mit zehnfachem Wasser verdünnen und doch theuer verkaufen. Er schlich also dem Mädchen nach, als es zum vierten Male mit dem kleinen Eimer nach dem Kiffhäuser ging, versteckte sich unter dem Gebüsche, als sie stehen blieb, und sah sie nach einiger Zeit aus dem Gange, der zu dem Keller führte, mit dem gefüllten Eimer herauskommen. Den nächsten Abend ging er selbst den Berg hinauf und schob auf einer Karre die größte leere Tonne, die er hatte auffinden können, vor sich her. Diese dachte er mit dem trefflichen Ritterwein zu füllen, sie des Nachts den Berg herunter zu rollen und dann alle Tage wiederzukommen, so lange noch Wein im Keller wäre. Als er an den Ort kam, wo er den Tag vorher den Eingang zum Keller gesehen hatte, wurde mit einem Male Alles dunkel um ihn her. Der Wind fing an fürchterlich zu heulen und das Ungethüm warf ihn und seine Karre und seine leere Tonne von einer Felsenmauer zur andern. Er fiel immer tiefer und tiefer und kam endlich in eine Totengruft. Da sieht er vor sich einen schwarzbehangenen Sarg hertragen und seine Frau und viele Nachbarinnen, die er an ihrer Kleidung und ihrem Wuchs deutlich erkannte, folgten der Bahre nach. Vor Schrecken fällt er in Ohnmacht. Nach einigen Stunden erwacht er wieder, sieht sich zu seinem Entsetzen noch in der schwachbeleuchteten Totengruft und hört gerade über seinem Kopf die ihm wohlbekannte Turmglocke in Tilleda zwölf schlagen. Nun wußte er, daß es Mitternacht war und daß er sich unter der Kirche und dem Begräbnißplatz seines Dorfes befand. Er war mehr tot als lebendig und wagte es kaum zu athmen. Siehe, da kommt ein Mönch und trägt ihn eine lange, lange Treppe hinan, schließt eine Tür auf, drückt ihm schweigend etwas Geld in die Hand und legt ihn am Fuße des Berges nieder. Es war aber eine kalte eisige Nacht. Allmählig erholt er sich jedoch und kriecht ohne Tonne und Wein seinem Hause zu. Es schlug Eins, als er es erreichte. Er mußte sich sogleich ins Bett legen und nach drei Tagen war er tot; das Geld aber, das ihm der verzauberte Mönch gegeben hatte, reichte gerade zu seinem Begräbniß hin.

Die goldenen Flachsblumen

Vor vielen, vielen Jahren ging einst ein ganzer Schwarm Knaben aus Kelbra auf den Kiffhäuser, um da Nüsse zu pflücken. Sie gehen in die alte Burg, kommen auf eine Wendeltreppe, steigen hinauf und finden ein kleines Gemach mit schönen achteckigen rothen und blauen Fenstern. In der einen Ecke liegt eine Spindel mit Flachs, in der andern ein Haufen Flachsknoten. Von diesen Knoten nimmt jeder Knabe einen Hutkopf voll und so laufen sie lustig hinunter und streuen auf dem Wege die Flachsknoten aus. Als die Knaben nach Kelbra kamen, war es schon Abendbrodzeit. Der ärmste der Knaben findet seine Eltern gerade beim Tischgebet; er nimmt seinen Hut ab und klingelnd fällt etwas Glänzendes auf die Erbe und bald noch ein Stück, nach und nach sieben andere. Die Mutter läuft hinzu und siehe, es waren goldene Flachsknoten, womit ein verzaubertes Hoffräulein oder gar die Kaiserin selbst dem armen Mann ein Geschenk gemacht hatte, der seinen Knaben nun ein Handwerk lernen lassen konnte. Die Nachbarinnen liefen hinzu, die wunderbaren Flachsknoten zu sehen. Den folgenden Tag ging ganz Kelbra auf den Kiffhäuser, Alle suchten, aber Keiner fand die blauen und rothen Fensterscheiben, Keiner die aufgehäuften goldenen Flachsknoten.

Die Wunderblume

Ein Schäfer aus Sittendorf trieb einst am Fuße des Kiffhäusers. Es war ein hübscher Mensch, und mit einem guten, aber armen Mädchen verlobt. Doch weder er noch sie hatten ein Hüttchen oder Geld, ihre Wirthschaft einzurichten. Traurig stieg er den Berg heran, aber je höher er kam (es war ein schöner Tag), desto mehr verlor sich die Traurigkeit. Bald hatte er die Höhe des Berges erreicht, da fand er eine wunderschöne Blume, dergleichen er noch nie gesehen hatte. Die pflückte er und steckte sie an seinen Hut, um sie seiner Braut mitzunehmen. Oben auf der Burg findet er ein offenes Gewölbe, dessen Eingang nur etwas verschüttet war. Er geht hinein und findet viele kleine, glänzende Steine auf der Erde liegen und steckt so viele ein, als seine kleinen Taschen fassen konnten. Nun wollte er wieder ins Freie, da rief ihm eine dumpfe Stimme zu: »Vergiß das Beste nicht!« Er wußte nicht, wie ihm geschah und wie er aus dem Gewölbe herauskam. Kaum sah er wieder die Sonne und seine Heerde, so schlug die Tür, die er vorher gar nicht gesehen hatte, hinter ihm zu. Er faßt nach seinem Hut und die wunderschöne Blume, die er seiner Braut hatte bringen wollen, war fort; sie war beim Stolpern herabgefallen. Urplötzlich stand vor ihm ein Zwerg und fragte: »Wo hast Du die wunderschöne Blume, die Du fandest?« »Verloren!« sagte traurig der Schäfer. »Dir war sie bestimmt«, antwortete der Zwerg, »sie ist mehr werth als die ganze Rothenburg.«

Traurig geht der Schäfer am Abend zu seiner Braut und erzählt ihr die Geschichte von der verlorenen Wunderblume; Beide weinen, denn Hüttchen und Hochzeit waren wieder verschwunden. Endlich denkt der Schäfer wieder an seine Steine und wirft sie scherzend seiner Braut auf den Schooß, und siehe, es waren lauter Goldstücke. Nun kauften sie sich ein Hüttchen und ein Stück Acker dazu; die Wunderblume aber blieb verschwunden und wird von den Bergleuten noch heute gesucht, in den Gewölben des Kiffhäusers nicht allein, sondern, da verborgene Schätze rücken, in der Questenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes. Bis jetzt hat sie aber noch Keiner gefunden.

Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates

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