Sagen rund um den Harz

Rund um den Harz gibt es sehr viele Geschichten und Sagen zu sehr unterschiedlichen Orten und Begebenheiten. Dies hier ist daher keine vollständige Aufstellung, sondern eine Sammlung der besten Geschichten rund um den Harz.

Der Blocksberg, das Blocksbergsgespenst und der Reinstein.

Der Brocken, in der gewöhnlichen Volkssprache der Blocksberg genannt, gehört zu den bedeutendsten der norddeutschen Berge und ist der höchste Gipfel des Harzes. Bekanntlich wird er Mons Bructerus oder Bructerorum genannt, angeblich weil die alten Bructerer vor grauen Jahren in der Nähe des Brockens gewohnt haben sollen. Einige nennen ihn auch Mons Proculus, entweder von dem lateinischen Worte procul (fern), weil er von ferne einem in die Augen scheint und gesehen werden kann, oder vom Kaiser Proculus, von dem die Sage erzählt, er habe 100 Jungfrauen innerhalb 15 Tagen geschwängert, gleichwie der Teufel auch in der Walpurgisnacht Unzucht mit den Hexen zu treiben pflege. Ein anderer Name ist noch Μελιβοκος oder Melibocus, welchen Einige von dem griechischen Worte μελι (Honig) und βοσκω (weiden, nähren) ableiten, also ein Ort, der viel Honig hüte oder einernte, wogegen wieder Andere behaupten, das Wort sei aus dem Deutschen entstanden und blos verdreht, nämlich aus Hellbock, d.h. der höllische Bock, bezüglich auf das Bocksreiten der Hexen oder auf die Bocksfüße des Teufels. Die deutschen Namen sind Prockelsberg, Prokelberg, Brockenberg, Brockesberg, Blocksberg oder Brocken. Letzterer Name kommt jedoch zweifelsohne aus dem Lateinischen her. Eine andere Erklärung ist aber die, daß der Berg früher von viel bedeutenderer Größe gewesen und bis auf seine jetzige Höhe zusammengestürzt und zerbröckelt sei und davon den Namen Brocken erhalten habe. Der Namen Blocksberg soll von Block oder Klotz herkommen und soll deshalb dem Berge gegeben worden sein, weil unten am Fuße des Berges sehr alte Bäume von ungewöhnlicher Länge und Breite gefunden worden wären, die man nicht habe aus dem Walde fortbringen können. Daher sei es geschehen, daß sie immer allda verblieben wären, bis sie endlich verfaulten oder durch Ungewitter, Sturm und Donnerkeile zerschmettert worden und dort liegen geblieben seien.

Es ist zu bezweifeln, daß die am Fuße des Brockens liegenden, zum Theil wunderbar aufgeschichteten verschiedenen Felsmassen, als der Scharfenstein, der Ilsenstein, die Honeklippen, die Feuersteine, die Schnarcher, die Söseklippen oder das Sirstor, die Achtermannshöhle, die Hopfensäcke u. dgl., die sämmtlich über zwei Stunden von der Spitze des Brockens entfernt sind, früher mit ihm zusammengehängt und ein Ganzes gebildet haben, denn dagegen sind die tiefen Thäler, welche diese von dem Hauptberge selbst trennen.

Der Brocken scheidet den Ober- von dem Unterharz; was von demselben im Westen liegt, heißt der Oberharz, und ist der höhere, größere und erzreichere Theil, was dagegen im Osten liegt, bildet an Fruchtbarkeit und Naturschönheit jenen übertreffend den Unterharz. Der Brocken selbst ist ein Urgebirge von mächtigen Granitlagern, unter 28° 17′ 1“ östlicher Länge und 51° 48′ 11“ nördlicher Breite und liegt in seinem Haupttheile in der Grafschaft Wernigerode, mit einem kleinen Theile seines südwestlichen Abhangs aber in dem hannöverschen Fürstenthum Grubenhagen und wird von den Harzstädten Wernigerode, Elbingerode, Hasselfelde, Benekenstein, Andreasberg, Altenau, Clausthal, Zellerfeld, Goslar und Neustadt-Harzburg umgeben. Sonst hat er eine ovale Fläche und besteht aus braunem, weiß- und blaugrauem Granit, von dem eine Unmasse zerbröckelt sowohl die Oberfläche des großen als des kleinen Brockens und der Heinrichshöhe bedeckt.

Daß von Venetianern und andern aus der Ferne und Nähe kommenden Kuxgängern in der Umgegend des Brockens, z.B. im Morgenbrodsthale, im Kux- und Ockerloche, am Rauschwasser, Quitschenhäu, im Schuppenthale, an der steilen Wand etc., wo verschiedene Figuren, wie Mönche, mit und ohne bergmännischen Instrumenten in den Händen, Ringe, Kreuze, chemische Zeichen, als:  Gold,  Silber, Hände, die nachweisen, wo Gold und andere feine Erze zu suchen u. dgl. m. eingehauen sind, Gold, Silber oder Edelsteine gefunden worden, ist sehr zu bezweifeln, ob es gleich ein Sprichwort giebt: »Man wirft am Brocken oft mit einem Steine nach einer Kuh, der mehr Werth hat als die Kuh selbst.«

Sehr sonderbar ist das Klima auf dem Brocken, namentlich die schnelle Veränderung der Temperatur und des Wetters. Es ist eigentlich dort immer mit wenigen Ausnahmen rauh und kalt, selbst im Juni, Juli und September ist daselbst schon Schnee gefallen. Auffallend schnell entstehen bei dem geringsten Wechsel des Windes daselbst Nebel, z.B. von West nach Südwest oder nach Nordwest; selbst wenn kein Wölkchen am ganzen Horizonte zu entdecken ist, bezieht sich die Brockenkuppe augenblicklich mit Nebel und dies ist dann gewöhnlich ein Vorzeichen von bösem Wetter, weshalb von den Landleuten das Sprichwort gebraucht wird: Auf dem Brocken wird gebraut, oder: Der Brocken hat die Mütze auf. Der größte Feind des Brockens ist aber namentlich im Winter der Wind, namentlich der Südwest; unglaublich hohe Schneemassen und Eisstücke holt derselbe aus den Thälern und treibt sie in hohen langen Massen auf die Brockenfläche von einer Stelle zur andern, und zwar so schnell, daß da, wo am Abend eine große Schneebank lag, dieselbe am andern Morgen von dieser Stelle ganz verschwunden war und sich hundert bis zweihundert Schritte davon entfernt auf der entgegengesetzten Seite befand. Alle diese Naturphänomene mögen die Ursache sein, daß der alte Brocken so in Verruf gekommen ist und das gräßliche Brausen und Heulen des Sturmes, welcher alle nur mögliche Schauder erregende Töne hervorbringt, wird jedenfalls zu der Sage von dem angeblich dort in der Walpurgisnacht abgehaltenen Hexensabbath Anlaß gegeben haben.

Eine seltsame Erscheinung ist auf diesem Berge das sogenannte Brockengespenst, das man jedoch nicht etwa blos im Herbste und bei Sonnenuntergange, wie man behauptet hat, wahrnimmt, sondern in allen Jahreszeiten, sowohl beim Auf- als Untergange der Sonne. Dieses Phänomen ist nun aber folgendermaßen beschaffen. Wenn die Sonne bei ihrem Auf- oder Untergange mit dem Brocken in gleicher Höhe steht, sich dann auf entgegengesetzter Seite unten in den Thälern Nebel bilden, diese am Brocken in die Höhe steigen, der nebelfreie Brocken aber zwischen dem Nebel und der Sonne steht, so wirft die Sonne den Schatten des Brockens und aller auf ihm befindlichen Gegenstände an diese Nebelwand, an der sich nun riesenhafte Gestalten bilden, die bald sich verkleinern bald vergrößern, je nachdem sich der Nebel nähert, entfernt oder durch Aufrollen desselben in ihm Lücken entstehen. Ist der Nebel trocken, so sieht man außer seinem eigenen Schatten auch den seiner Nachbarn; ist er feucht, so sieht man nur den seinen mit einem regenbogenfarbigen Heiligenschein umgeben. Dieser Heiligenschein vergrößert und verschönert sich, wird strahlender, je nasser und dicker der Nebel ist und je näher derselbe kommt. Bei rauhem Nebel im Winter bietet diese Erscheinung einen andern Anblick; dann erhält der Schatten nicht den kreisförmigen regenbogenfarbigen Heiligenschein, sondern es gehen vom Haupte des Schattens drei gelbe, hellglänzende, scharfgezeichnete und weitstrahlende Scheine rechts und links vom Auge und senkrecht, ohngefähr so  und in hochgelber Farbe. Dieses Nebelbild oder Brockengespenst ist das schönste hier wahrgenommene Phänomen.

Was nun die Sage selbst anlangt, so soll, als der Kaiser Karl der Große 779 und 780 n. Chr. G. die Sachsen zur Annahme des Christenthums zwang, von diesen der Götzendienst auf dem Brocken gefeiert und in der Walpurgisnacht der Hertha, nach Andern dem Krodo, auf dem Hexenaltar geopfert worden sein, und als Kaiser Karl zur Vertreibung der Heiden Schildwachen aufstellen ließ, hätten die Heiden durch abenteuerliche Aufzüge jene von ihren Posten zu versprengen gesucht.

Man hat ein altes Gedicht von dem Brocken, welches also lautet:

In Thüringen ist sehr wohl bekannt

Ein Berg, der Prockelberg genannt,

Welcher Berg der jetzo berührt

Ueber sechzehn Meil gesehen wird,

Also daß den fernen Jedermann

In Sachsen und Hessen anschauen kann,

Dieweil er hoch und übertrifft

Mit seiner Höh, wie ich bericht,

All Berg in Hartz und Thüringen,

Darüber er ganz hoch thut springen.

Vber das ist er auch beschreit,

Dieweil Nachts zu Walpurgis Zeit

In großer Zahl, wie ich bericht,

Die Zauberinn mit ihrem Gezücht

Ingemein einen Reichstag allda halten,

Die jungen sowohl als die alten,

Welche all der Teufel dahin führt

In geschwinder Eil, wie jetzt berührt,

Auf welchem sie mit Tanzen, Springen,

Mit Saufen auch die Zeit zubringen,

Mit bösen Geistern Unzucht treiben,

Wie solches oft die Gelehrten schreiben,

Wenn aber kommt der Hahnen Geschrei,

So fahren sie wieder heim ohne Scheu

Ueber hohe Berg und tiefe Thal,

Bis daß sie kommen allzumal

Ein jede Hexe an ihren Ort,

Wie man solches wohl mehr hat gehört.

Treiben also ohn‘ alle Scheu

Ihr Hexenwerk und Zauberey

Wider Gott und sein heiliges Wort,

Auch öftermals anstiften Mord,

Doch können sie, wie ich bericht,

Den frommen Leuten schaden nicht,

Um welche her die Engelschaar

Ein Wagenburg thut schlagen gar.

Ihr rechter Lohn und gewisses Pfand

Ist Feuer, Schwert und ewig Schand,

Ja wenn sie nicht tun Buß auf Erden,

Können sie auch nicht selig werden.

Das sey nun gnug von Zauberinn.

Auf daß wir aber unsern Sinn

Anwenden an den Prockelsberg,

Zu beschreiben gänzlich merk‘,

So ist auch überall allda

Derselbe Berg ein Practica

Der Landleut, welche oft ohn Irren

Gut Wetter daher practiciren,

Denn wenn ein starker Nebel trifft

Recht solchen Berg, wie ich bericht,

So fällt gewiß denselben Tag

Ein Regen, ist wahr als ich sag.

Wenn aber solcher Berg ganz frei

Ohne Nebel ist, ohne allen Scheu,

So folgt ein schöner heller Tag

Alsdann, darin ein Jeder mag

Mit Freuden an sein Arbeit gahn,

Auch wandern, reiten und alsdann

Noch weiter, daß für alle Zeit

Gott werde gedankt in Ewigkeit.

Wir wollen hier aus Curiosität die Beschreibung einer Brockenreise setzen, welche Johann Prätorius seinem Buche über den Brocken als Anhang vorgesetzt hat. Derselbe berichtet aber folgender Maßen:

Als man den 5. Juli Anno 1653 bei früher Tageszeit von Ballenstedt abgereiset, sind wir darauf, gleich gegen Mittag um 10 Uhr zu Blankenburg angelanget, von dannen wir uns alsofort und nach voreingenommener Mittagsmahlzeit nacher Reinstein hinauf (so nur 1/4 Meil Weges von Blankenburg) begeben und daselbst befunden, daß der Reinstein ein gar uralt und verwüstetes Haus oder Schloß ist, auf einem ziemlichen hohen Felsen gelegen und vordessen von denen nunmehr ganz verstorbenen Herren Grafen von Reinstein erbauet worden; ist ein seltzam Gebäude gewesen, in dem Alles, und fast alle Gemächer, darunter vornehmlich die Küche, Keller, die Kirche, Saal, Pferdeställe und dergleichen in den Stein ausgehauen ist, wie man denn, wenn man hineinkommt, anders nicht als lauter Stein um und neben sich sieht, und ist zu muthmaßen, daß solches Alles große Mühe und Arbeit gekostet hat. Es liegt sehr hoch und ist an einer Klippe des Berges gleichsam angeflickt und nunmehr Alles verwüstet, sieht auch anjetzo vielmehr einer Raubhöhle als einem gräflichen Schlosse ähnlich. Wann ein Rohr in denen aus dem Stein gehauenen Gemächern gelöst wird, so schallet und knallet es dergestalt, als wenn eine Kanone gelöst würde, maßen denn auch, wenn daselbst nur in die Luft aus einem Rohr geschossen wird, es von verschiedenen Orten her einen starken Widerhall und gleichsam vielerlei Echo giebt. Unter andern ist allda ein Loch zu finden, so von allerlei kleinen Steinen (welche sonst in der Ebene und nicht auf den Bergen gefunden werden) ausgefüllt ist. Von demselben Ort nun wird als wahrhaftig berichtet, als wenn solches Loch von den bösen Geistern angefüllt wäre. Denn wenn man die Steine von dannen hinwegnimmt, so kommen doch hingegen wieder andere dahin, ja auch gar oftmals diejenigen, welche man hinweggenommen, daß also Niemand die Ursache dessen erfinden kann, sondern das Loch allezeit mit den Steinen angefüllt gefunden wird. Es werden auch allerhand Abenteuer erzählt, so sich bei solchem Loche sollen begeben haben mit denen, welche muthwillig oder freventlich etwas dabei vorzunehmen sich unterstanden. Als wir uns hernach von Reinstein wieder hinunter begaben und in Blankenburg das Mittagsmahl eingenommen, sind wir darauf selbigen Tages durch Wernigerode noch bis Ilsenburg gereiset. Da wir nun zu Ilsenburg (so dem Herrn Grafen zu Stolberg oder Wernigerode zuständig und fest unter dem Blankenberg liegt) selbigen Abend angelanget, haben wir Präparatoria gemacht, des darauf folgenden Morgens die Reise auf den hohen Blockesberg fortzusetzen. Den 6. Juli nun früh am Tage haben wir uns aufgemacht und nebenst dem Wegweiser um 2 Uhr früh die Reise angefangen, da mir denn reitend 15 Personen und 12 Pferde stark über unterschiedene Bäche, Brücken und durch dicke Büsche bei einem ziemlich hohen Felsen, Ilsenstein genannt, vorbei alles bergaufwärts fortpassiret und als wir in die zwei guten Stunden den Berg hinaufwärts in Morast, in Steinen, in ungebahntem Wege, dabei die Pferde manchen sauern, unsanften und gefährlichen Tritt tun müssen, geritten, haben wir, wegen des allzubösen Weges, nicht weiter zu Pferde fortkommen können, sondern alle von den Pferden absteigen und zu Fuß vollends gehen und gleichsam hinaufklettern müssen, da wir dann abermals zu Fuß gehend in die 2 gute Stunden zugebracht, ehe wir den höchsten Gipfel des Berges erreicht. Die ganze Zeit aber, im Hinaufreiten und im Hinaufgehen, haben wir stetig dunkel und thauigtes, näßliches Wetter gehabt, je höher wir aber auf den Berg gekommen, je dunkler, nässer und kälter Wetter und Luft wir empfinden müssen, bis endlich auf der Höhe, als wir dieselbe erreicht, wir eine solche kalte Luft gefunden, daß wir fast nicht dafür dauern können, ja von dem Reif und Frost wir alle ganz weiß, als wären wir beschneit, aussahen. Denn unversehens wurden wir mit Nebel und Wolken dergestalt umgeben, daß wir vor Dunkel und Finsterniß einander nicht sehen oder erkennen konnten, sondern einander zurufen mußten, ja die Wolken strichen bei uns und unsern Häuptern recht mit Brausen vorbei, daß man wie verdutzt davon wurde, geschweige der Nässe, so jedesmal von den Dünsten und vorbeistreichenden Wolken auf uns fiel, daß wir alle wie gebadet aussahen, bis endlich nach 6 Uhr und gegen 7 Uhr etwa sich etwas von unterwärts aufzuklären anfing, da denn, sobald es ein wenig hell wurde und die Sonne die weißen Dünste verzehrte und die Wolken abgetrieben, wir uns nach allen Orten umsehen konnten, daß einem das Gesicht darüber verging. Denn es anders nicht schien, als wenn wir vom Himmel herab die ganze Welt übersehen könnten, indem Alles, was wir sahen und wohin wir sahen, viel niedriger war als der Ort, da wir uns befanden, und konnte das Gesicht die Weite um uns fast nicht begreifen. Ohne ist es nicht, daß auf solchem hohen Berge der großen Wunderwerke Gottes genug sein zu sehen und zu verspüren, indem man gleichsam in einem Augenblicke nicht allein so viel Länder, Fürstenthümer und Provinzen des heil. römischen Reichs und in Deutschland beschauen, sondern auch die Wirkung der Luft, die Durchstreichung der Wolken nicht ohne Verwunderung und Entsetzung allda sehen und empfinden kann, zu geschweigen, was für herrliche kräftige, kostbare und seltsame Kräuter und Wurzeln droben wachsen. Denn indem wir uns mit Beschauung der in dem Grunde herumliegenden Fürstenthümer, Länder und Orte am Besten ergötzten, kam unversehens brausend eine Wolke, mit Nebel und Dünsten vermenget, auf uns und überschüttete uns, daß wir, gleichsam in einem Augenblick, in eine Finsterniß geriethen und gar nichts sehen, ja einander selbst (ungeachtet, daß wir nahe dabei standen) nicht erkennen konnten, da wir denn allezeit aufs Neue benetzet, als wenn wir stark beregnet wurden. Sobald nun die Wolken von uns zu weichen und uns wiederum zu verlassen begonnen, sahen wir durch dieselben, sowohl unter uns nach dem Erdboden, als insonderheit über uns nach dem Himmel zu, gleich wie ein brennendes Feuer, so man durch den Rauch zu sehen pflegt, aus der Ursache, weil mittler Zeit, da wir mit den Wolken umgeben waren, es sowohl unten auf dem Erdreich, als vornehmlich oben gegen den Himmel ganz klar und helle von dem Sonnenschein war. So geschwind nun die Wolken vorbei waren, konnten wir uns abermals mit sonderbarer Lust und Ergötzung, soweit es das Gesicht erleiden konnte, allzuweit hin und wieder umsehen, bald aber kamen dieselben wiederum, wie zuvor, also daß es lauter Veränderung und Verwechselung der Luft gab, insonderheit aber kamen die Wolken bisweilen etwas zu kurz an uns an, daß sie uns nicht berührten, sondern etwas unterwärts an den Berg anstießen und also an demselben sich zertheilen mußten, da wir dann abermals unterwärts nach dem Erdboden Alles finster und dunkel, hinaufwärts aber gegen den Himmel zu Alles hell und klar sehen konnten und also die Wunderwerke Gottes daselbst wohl sichtbarlich sein. Auf dem Berge oben waren gar keine Bäume, sondern Alles mit langem Gras, Kräutern und Wurzeln bewachsen, Alles sumpfig, morastig und voll Mooß, aber recht oben entspringt ein schöner klarer und gesunder Brunnquell, so gar einen guten Geschmack im Trinken hat. Unter andern ist eine Wurzel daselbst, so die Krebswurzel genannt wird, sieht einem Krebs an Farbe und Form sehr gleich, soll zu vielerlei Zufällen der Menschen dienlich und sehr köstlich sein. Dieser Ort und Gipfel des Berges ist ziemlich weit begriffen, aber gar nicht gäh oder steil herunter, sondern nur langsam abhängig, also daß man ganz ohne Gefahr oben herumgehen kann. Wenn ein Rohr oder Lauf abgelöset wird, so giebt es einen gar schlechten Knall und gar keinen Widerschall. Daß aber auf dem Gipfel des Berges gar keine Bäume wachsen, so wird solches der großen Kälte, die sich daselbst beständig befindet, beigemessen, da doch hingegen herunterwärts, etwa einen guten Musketenschuß von der obersten Höhe herunter wir allsofort Bäume in starker Anzahl von allerlei Art gefunden und sich dasselbe bis ganz hinunter auf die Ebene continuirt. Als wir nun also oben auf dem Berge beinahe anderthalb Stunden lang verharrt und uns umgesehen und der starken Kälte wegen fast nicht länger ausharren können, haben wir uns endlich allgemach wiederum hinunter zu Fuß begeben, so allbereits um 8 Uhr Vormittags gewesen, da wir denn mit ziemlicher Mühe und Arbeit den ganzen unwegsamen und ungebahnten, ja meistentheils sehr morastigen und steinigen Weg bis die Hälfte des Berges hinunter, da die Pferde unser gewartet, absolvirt, daselbst uns auf die Pferde wiederum gesetzt und also vollends bis hinunter nach Ilsenburg geritten sind. In der Herabreise des Berges haben wir kaum zwei Stunden zugebracht und also gleich um 10 Uhr gegen Mittag unten angelangt, da wir denn nicht allein schönen hellen Sonnenschein, sondern vornehmlich eine starke Hitze unten vor uns gefunden und also dieselbe Luft der obersten auf dem Berge ganz unvergleichlich gewesen etc.

Die gewöhnlichste Version der Sage von dem Hexentanze auf dem Berge hier oben im Munde des Volks ist nun die, daß wenn der Monat April mit seinen Schneeschauern und letzten Resten des Winters vorüber ist, in der Nacht vom letzten April zum ersten Mai von allen Seiten und Richtungen die Hexen zum Blocksberge eilen. Da ist ein wildes Gedränge und weil es der Eile bedarf, so tragen die Füße sie nicht schnell genug, sie kommen also durch die Luft den Berg herangezogen, von oben, von unten, auf Ofengabeln, Streichbesen und Ziegenböcken, aus dem Walde und hinter dem Berge hervor. Wahrscheinlich führen sie die Ofengabeln, um das Feuer anzuschüren, die Streichbesen aber, um den Schnee wegzukehren, der am ersten Mai den Brocken noch bedeckt. Wie schwarze Wolken verdunkelt ihre Schaar noch mehr die dunkle Nacht. Die Luft selbst wird unruhig und jagt im Wirbelwinde das Gewölk von Berg zu Berg. Bald flackert aber ein lustiges Feuer hoch empor. Der Teufel besteigt dann seine Kanzel und predigt vor der glänzenden Versammlung der Hexen und Zauberer. Diese führen nun um ihn im wilden Rausche einen Reigen auf und schwingen hoch die flammenden Feuerbrände bis zur Ermattung. Während dem hat der Teufel ihnen auf dem Hexenaltar ein Mahl bereitet und aus dem Hexenbrunnen trinken sie. Wenn die Morgenröthe sich naht, so verschwindet wieder allmälig der Höllenspuk und wie die Hexen und Zauberer gekommen sind, so reiten sie wieder von dannen und bald ist ihre Spur verloren, ja einander befreundet haben sie sich dort oft selbst nicht gekannt. Etwas anders stellt das berüchtigte Holzschnittbild, welches sich bei Prätorius‘ Blocksbergsverrichtung findet, den Hexensabbath dar. Ganz oben auf der Kuppe des Berges sitzt ein Dudelsacksbläser auf einer Tonne, hinter ihm bläst ein anderer Musikant auf einem Kuhhorne, weiter unten sitzt auf einem hölzernen dreibeinigen Stuhle ein Bock, dem eine Hexe den Hintern küßt, und um den Platz selbst geht ein Reigen, wo ein Paar nach dem andern, Teufel und Hexen mit Ofengabeln, Fackeln und Blasinstrumenten, hinter einander tanzen, theilweise in sehr obscönen Stellungen. In der Luft schweben Hexen und Böcke, der Mond scheint und rechts unten sitzt eine Hexe von phantastischen Thieren umgeben und rührt einen von Feuer umgebenen Kessel. Die Teufelskanzel oben auf der Fläche des Brockens, der Hexenaltar, von dem aber freilich eine Steinplatte von muthwilligen Leuten herabgestürzt ward, sowie der Hexenbrunnen, ein in der Nähe des Wohngebäudes befindlicher, vom Regen ausgehöhlter Stein, in dem sich die Hexen angeblich bei ihrer Ankunft wuschen und in dem das Wasser wie Blut aussieht und nie austrocknet, sind noch vorhanden.

Der Hexensabbath auf dem Brocken

Ein preußischer Soldat aus Wernigerode kam nach Flandern. Im Quartier wird er gefragt, wo er her sei. Er sagte: »Ich bin am Blocksberge zu Hause.« Da sagte Jemand: Nun im Drübeckschen ist ein Pfeiler, daran steht mein und Deines Bruders Namen. Wir hüteten als Jungen die Schafe und unterhielten uns oft, wie viel Hexen es in unserem Orte wohl geben möchte. Am 12 Mai, von welchem Tage an die Hirten am Harz ins Gebirge treiben und nicht mehr auf den Wiesen hüten dürfen und der der Walpurgistag am Harz ist, machten wir einen Kreis von Drachenschwanz oder Schlangenkraut, auch Hörnkenkraut genannt, um uns her. Um 11 aber kamen die Hexen auf Besen, Heugabeln u.s.w. an, zuletzt aber fuhr unsere Nachbarin auf einem Fuder Heu ohne Pferde daher. »Nawersche, nehmt uns midde« riefen wir. »Ja, Jungens, sett üch op«, rief sie. Das thaten wir, nahmen aber den Kranz mit auf das Fuder und steckten ihn um uns her. »Jungens«, sagt sie, »nu sett üch wißt (fest)« und da geht’s davon als wie ein Vogel fliegen thut. Als wir wieder zur Besinnung kamen, waren wir auf einem hohen Berge, da waren große Feuer, viele Gäste auf Gabeln und Ziegenböcken, und es wurde getanzt und es war allda die schönste Musik. Einer, der der Satan war, hatte zwei große Hörner auf dem Kopfe, ordnete die Tänze an und danach spielte er selbst mit. Die Alte war abgestiegen, wir Jungen aber zogen auf dem Heuwagen unsere Schallmey heraus und spielten auch mit. Nun kam der mit den Hörnern zu uns und sprach: »Jungens, ihr könnt ja prächtig spielen, ich will euch ein besseres Instrument leihen«. Da warf er uns eine andere Schallmey in den Kreis, die ging nun aber ganz prächtig, da huckten die alten Hexen wie die Stube hoch und freuten sich ordentlich. Als wir nun so eine halbe Stunde gespielt hatten, winkte er und wir mußten Halt machen. Da knieten Alle vor dem Hexenaltar, dann nahm der mit den Hörnern aus dem Hexenbrunnen Wasser, goß auch zwei Eimer in das Hexenwaschbecken, daraus mußten sie sich Alle waschen und wurden auch von ihm damit besprengt. Dann ging der Tanz wieder an und um 12 Uhr war Alles verschwunden, wir Jungen aber saßen in ihrem Kranz von Kraut auf der glatten Erde. Da kam der Anführer und fragte, was wir für unser Spielen haben wollten, wir aber baten nur um die Schallmey. »Die sollt Ihr behalten«, sagte er. »Am andern Morgen aber sahen wir, daß es eine alte Katze war, das Mundstück war der Schwanz, den hatten wir kurz und klein gekaut. Jetzt gingen wir herunter und kamen erst nach Drübeck, wo wir unsere Namen an die Säule schrieben. Meinen Bruder tötete die Hexe, weil er in unser Dorf zurückkehrte, ich aber hütete mich vor ihr und ging hierher.« Die Säule hat mit den Namen im Kreuze zu Drübeck gestanden, bis dort ein großer Bau vorgenommen wurde.

Ein junger Bursch setzte sich auf den Kreuzweg, um in der Mainacht die Hexen auf den Brocken ziehen zu sehen. Er machte sich aber einen Kranz um Kopf und Leib und hatte sich über und über mit braunem Dust und Baldrian umwunden. Die Hexen kamen auf Enten und Gänsen, schurrten in Mulden, ritten auf Ofengabeln und Mistgrepen, und zuletzt kam die letzte und oberste Hexe, die sagte: »Härrest Du nich braunen Daust un Faldrian, Sau woll ik üwel mit dik de Klange gahn.«

In der Walpurgis- oder Wolpersnacht stellen die jungen Burschen den Mädchen Besen vor die Tür und necken sie dann am Morgen mit dem Hexenritt. Man reitet aber auch auf Bäumen und Butterfässern in der Mainacht nach dem Brocken. Die Hexen tanzen dann in der Walpurgisnacht den Schnee auf dem Brocken weg. Sie reiten dahin auf Ziegenböcken und abgenutzten Thieren, auch auf Pferden. Von den Weißdornen, woran das sogenannte Moldenbrod wächst, springen in der Walpurgisnacht die Spitzen weg.

Am Walpurgisabend blieb ein Bräutigam so lange bei seiner Braut, daß sie ihm gestehen mußte, sie hätte nun nicht mehr Zeit, weil sie nach dem Brocken fahren müßte. »So will ich auch mit«, sprach der Bräutigam. Da gingen sie mit einander auf den Hof und dort stand schon ein Puterhahn und wartete auf das Mädchen, dies setzte sich recht fest auf und der Bräutigam setzte sich hinter sie. Nicht lange dauerte es, so waren sie auf dem Brocken und es waren so viele Menschen da, daß der Bräutigam sich schier darüber verwunderte, wollte aber mit der Sache nichts weiter zu tun haben, und weil er auch totmüde geworden war von dem Ritt, so wies ihm seine Braut ein schönes Gardinenbett, darin sollte er sich niederlegen und schlafen. Also that er auch, als er aber am andern Morgen erwachte, lag er auf der bloßen Erde in einem alten Pferdegerippe, das war das Gardinenbett gewesen.

Es ist einmal ein Bräutigam gewesen, der hat eine Braut gehabt. Die Braut aber und ihre Mutter waren beide Hexen. Als nun der Tag kam, an welchem die Hexen nach dem Brocken wandern, gingen die beiden Hexen auf den Heuboden, nahmen ein kleines Glas und tranken daraus, da waren sie auf einmal verschwunden. Der Bräutigam, welcher ihnen nachgegangen war, dachte: »Solltest auch einmal aus dem Glase trinken.« Er nahm also das Glas vor den Mund und nippte davon, da war er mit einem Male auf dem Brocken und fror, denn es war kalt. Ein Glas hatte er nicht mitgenommen und mußte deshalb den Rückweg zu Fuß antreten. Nach einer langen und beschwerlichen Reise kam er endlich wieder bei seiner Braut an, aber die war sehr böse und auch die Mutter zankte viel mit dem Bräutigam darüber, daß er aus dem Glase getrunken hatte. Mutter und Tochter kamen endlich überein, den Bräutigam in einen Esel zu verwünschen, welches denn auch geschah. Der arme Bräutigam war nun also ein Esel geworden und ging betrübt von einem Hause zum andern und schrie: Ija! Ija! Da erbarmte sich ein Mann über den Esel, nahm ihn in seinen Stall und legte ihm Heu vor; aber der Esel wollte es nicht fressen; da wurde er mit Schlägen aus dem Stalle getrieben. Nach langem Umherirren kam er einmal wieder vor das Haus seiner Braut, der Hexe, und schrie recht kläglich. Die Braut sah ihren vormaligen Bräutigam, wie er mit gesenktem Kopfe und herabhängenden Ohren vor der Thür stand. Da bereute sie, was sie getan hatte und sprach zum Esel: »Wenn ein Kind getauft wird, so stelle Dich vor die Kirchtür und laß Dir das Taufwasser über den Rücken gießen, dann wirst Du wieder verwandelt werden.« Der Esel folgte dem Rath seiner Braut. Am nächsten Sonntage wurde ein Kind getauft, da stellte sich der Esel vor die Kirchtür. Als die Taufhandlung vorbei war, wollte der Küster das Taufwasser wegschütten, aber der Esel stand ihm im Wege. »Geh, alter Esel«, sprach der Küster; aber der Esel ging nicht; da wurde der Küster ärgerlich und goß ihm das Wasser über den Rücken. Nun war der Esel erlöst, ging zu seiner Braut und heirathete dieselbe und lebte recht glücklich mit ihr.

Diejenige Hexe, so in der Walpurgisnacht sich verspätet hat und zu langsam gekommen ist, muß sich zur Strafe als einen Hackeblock gebrauchen lassen, darauf der Teufel das Fleisch zu den Würsten, die zur Fresserei gebraucht werden, hacken läßt.622

Es giebt noch eine Beschreibung von einem solchen Hexensabbath, welche der Verfasser der hundstäglichen Erquickstunden (Th. I. c. 18) aus eigenem Anschauen gegeben hat, freilich sagt er nicht, ob er auf dem Blocksberg selbst gewesen sei.623 Er erzählt, es sei in der Nacht ein Geist zu ihm gekommen, habe ihn geweckt und durch einen schönen grünen Wald auf eine überaus große und schöne, mit lieblichen Blumen gezierte Wiese oder Matte geführt, da habe er ihn sich auf einen grünen dicken Eichstamm setzen heißen und gesagt: »Fürchte Dich nicht! Du wirst allhier große Sachen sehen, die Du sonst niemals gesehen hast, schweige aber still, ich will Dich ohne Gefahr oder Nachtheil wiederum in Deine Kammer liefern.« Dieser Platz oder Wiese war nun aber nicht allein mit schönen Tapezereyen, gedeckten Tischen, Bänken und großen Herrnsesseln, Leuchtern, Kandeln, Bechern, Schüsseln, Tellern auf einem Nebentisch und aller Bereitschaft, welche zu einem herrlichen Banquet gehört, sondern auch mit absonderlichem auf der Wiese aufgeschlagenen und gleichergestalt mit Tapezereyen berähmten Theatrum, gleich einem Lust- oder Tanzhause wohl zugerichtet, darauf dann unter andern auch ein überaus köstlicher Sessel, etwas in die Höhe aufgeschlagen und etwa eine Elle hoch von der Erde erhöhet sich befand, aber sonst Niemand dabei. Plötzlich sah ich aber den ganzen vor ihm stehenden Platz mit solchem Glanz und Feuer umgeben und erfüllt, daß ich vermeinte, der ganze Platz stehe im Feuer, welches aber bald nachließ. Jedoch hingegen war der Platz mit einer solchen Menge von Pechlichtern erfüllt und erhellt, daß ich Alles, was darauf vorging, eigentlich sehen konnte. Erstlich nun ersah ich das Theatrum und darauf einen erhöhten Sessel, auf welchem ein ungeheurer Bock mit großen Hörnern und erschrecklichem Angesicht neben noch andern Böcken auf den Nebensesseln zu beiden Seiten saß. Bald kam auch eine große Menge Weiber und Männer als ein Kriegsheer auf dem Felde daher, ein Theil auf Böcken, ein Theil auf großen Hunden und ein Theil auf Stecken geritten (unter welchen dann diejenigen, so auf Hunden geritten kamen, vor allen Andern stattlich bekleidet waren), welche alle dem Theatrum zueilten und darauf sich einstellten und mit zusammengeschlagenen Händen niederfielen und den großen Bock anbeteten, wie auch ihm zu Ehren etliche, sonderlich die Männer Pechkerzen, der Weiber aber eine große Anzahl die Nabel junger Kinder herbeibrachten und aufopferten, auch gottlose Ceremonien mit Weihwasser und andern heiligen Sachen, in Despect der christlichen Ceremonien dabei trieben und den Bock anbeteten. Nachdem nun die zugerichteten Tische allgemach mit Speise und Trank versehen waren, setzten sich die Gäste sämmtlich zu Tische und nahmen nach der Dignität eine jede Person ihre Stelle ein, dergestalt Buhlen sich gegenüber gleicherweise setzten. Die Speisen waren unterschiedlich, zum Theil köstlich, zum Theil schlecht, neben vielen Weinen in großer Menge vorhanden, welche die Geister oder Hexenbuhler anders woher gestohlen herbeigebracht hatten. In Summa, es war Alles bestellt, als wenn es eine ansehnliche Gasterei geben würde. Etliche schlechte Weibs- und Mannspersonen standen vor den Tischen als Aufwärter, darunter etliche arme Weiber allda standen, das Unterste nach oben gekehrt, sich für Leuchter zu gebrauchen, und ward eine Musik oder vielmehr ein Geheul von weitem her gehört, doch bisweilen ward dies auch als eine liebliche Musik gehört. Es waren auch unter dem Haufen etliche, sowohl Manns- als Weibspersonen, welche sich nicht eher zu Tische setzen durften, bis sie dem Teufel (welcher auf einem hohen Sessel an der Tafel, dann in Gestalt eines großen Hundes, dann eines Bockes, dann eines Fürsten sich präsentirte) Ehre erzeigt und Erlaubniß zu Tische zu setzen bekommen hatten. Wann diese bisweilen in ihrer auferlegten Verrichtung nachlässig gewesen, mußten sie also zuvor, ehe sie zu der Fröhlichkeit gelangen durften, Gott lästern und dann wurden sie erst zur Fröhlichkeit neben andern zugelassen, wenn sie demüthig um Verzeihung gebeten hatten, darbei denn wunderliche Stellungen gebraucht wurden. Etliche schlugen die Hände zusammen, etliche bückten sich mit dem Angesicht zwischen ihre Beine hinter sich, daß sie anstatt des Angesichts mit ihrer angeborenen Scham den Himmel ansahen und andere Greuel trieben. Ehe nun die Mahlzeit recht anfing, mußten sie vor dem Tische ihr Gebet zum Teufel tun und ihn anbeten, welches sie auch, als die Mahlzeit vollendet war, wiederholen mußten, dem Teufel die Ehre anzutun, damit sie allein den Teufel anbeteten und für die Mahlzeit dankten. Dieser angestellten Gasterei wohnten die Teufel bei, etliche in offenbarer und unverdeckter, etliche in verdeckter und vermummter Gestalt, und hatten sich derer etliche mit einem Leingewand, andere mit einem andern Decktuch, andere in fremder unbekannter Person verkleidet. Hienächst wendet sich der Bock herum und zeigt sich der ganzen Versammlung von hinten; er hatte einen mächtigen Schwanz, den mußten sie zur Confirmirung ihrer Huldigung küssen. Ich konnte hierbei nicht stillschweigen und fragte einen Geist, wie dieses zu verstehen sei. Da sprach der Geist zu mir: »Den Du als einen Bock ansiehst, den sehen nicht alle in solcher scheußlichen Gestalt an, sondern nur diese, welche schon lange bei der Zauberei gewesen und darin also bestätigt sind, daß kein Abfall von ihnen zu Gott mehr zu befürchten ist. Die Ankömmlinge aber, die Du allhier in großer Menge siehst und an welchen noch zu zweifeln, ob sie beständig verbleiben möchten, die werden und sind verblendet und sehen ihn allda nicht in eines Bockes Gestalt sitzen, sondern sie vermeinen, sie sehen ihn an, als wenn er ein großer Fürst wäre und wenn sie seinen Hintersten küssen, so meinen sie, sie küssen ihm die Hände.« Nach vollendeter Mahlzeit behielten auch die Geister ihre fremde angenommene Gestalt und es ergriff ein jeder Geist seine ihm anvertraute Schülerin bei der Hand, fing an mit derselben zu tanzen, welcher Tanz mit ganz widerlichen und seltsamen abenteuerlichen Geberden verrichtet ward, denn die Rücken kehrten sie aneinander, die Hände schlossen sie in einen gerundeten Kreis zusammen, die Köpfe schlugen sie und warfen sie gleich den Wahnsinnigen und Närrischen gegen einander. Etliche hielten brennende Windlichter in den Händen und neigten sich zuvor vor ihrem Teufel und küßten ihn und sangen demselben zu Ehren garstige und unfläthige Lieder. Einer von den Teufeln saß auf einem doppelt gespaltenen Baum, schlug auf die Trommel, der andere setzte sich zu ihm und spielte auf der Pfeife und machte den Andern einen lustigen Tanz. Ja es ging so seltsam und wunderlich durch einander, daß man es nicht wunderlicher hätte erdenken mögen. Nachdem alle Lustigkeit ein Ende hatte und es Zeit zu schlafen, gingen die Teufel und Hexen zu Bette. Nach Verlauf einer Stunde erhoben sie sich aber wieder von ihrem Lager, da denn ihr Morgengebet war, daß sie alle die von ihnen verübten Bubenstücke und Zaubereien erzählten. Welche nun die allerschrecklichsten und meisten Schandthaten auf die Bahn brachten, die wurden von den Teufeln am meisten gelobt; war es aber, daß einer nichts zu sagen wußte, oder doch nur schlechte und geringe Dinge anführte, ward derselbe vom Teufel oder einem der ältesten und erfahrensten Zauberer heftig zerschmissen.

Original: Johann Georg Theodor Grässe, Sagenbuch des preußischen Staates

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